die wahrheit: Rettung am Bosporus
EU-Beitritt: Die europäische Landkarte wird grundlegend verändert
Kaum war aus Brüssel die Meldung in Ankara eingetroffen, dass Kroatien schon 2013 Mitglied der EU werden könne, lief der frisch wiedergewählte Ministerpräsident Erdogan in seinem Amtssitz Amok und brüllte seinen Mitarbeiterstab so laut zusammen, dass selbst der Muezzin mit seinem Abendruf verstummte.
Ausgerechnet Kroatien! Wieder einer dieser bockigen Landstriche, die schon vor Jahrhunderten den Sultanen bei ihren Ausflügen auf den Balkan den Willkommensgruß verweigert hatten. Und jetzt, wo das Aufnahmedatum für die Türkei noch hinter den Sankt-Nimmerleins-Tag gelegt wurde, klappte das bei den Kroaten plötzlich innerhalb von Monaten. Offensichtlich weil der Papst zu Besuch gekommen war.
Aber an diesem Abend war vieles anders, diesmal stand einer schwächelnden EU kein kranker Mann vom Bosporus mehr in seinem Amtssitz gegenüber. Erdogan ließ sich die Auslandsnummer von Deutschland samt Berliner Vorwahl geben und rief im Bundeskanzleramt an. Es sollte ein sehr langes Gespräch werden, in dessen Verlauf Abmachungen getroffen wurden, die die europäische Landkarte grundlegend verändern.
Erdogan schlug der Bundeskanzlerin nämlich vor, den Beitritt der Türkei einfach auf den 1. Juli 2011 vorzuziehen und dafür einen von Ankara aus gelenkten Staatenbund mit den "lieben Nachbarn" aus Griechenland zu bilden. Durch die komplette Übernahme der griechischen Staatsschulden könnten in dieser einzigartigen historischen Win-win-win-win-Situation gleich vier Probleme auf einmal gelöst werden: die Euro-Rettung, das Überleben Griechenlands, der Zypern-Konflikt und die EU-Mitgliedschaft des Mittelmeertigers Türkei.
In schillernden Farben schilderte der Ministerpräsident die gut nachbarlichen Beziehungen der beiden Ägäisanrainer mit einer fast vierhundertjährigen gemeinsamen Verwaltungstradition bis 1821. Er erinnerte an die kulturellen Schnittmengen beim Tanz und in der Küche, allen voran bei der Umwandlung der Anispflanze in ein schmackhaftes Grundgetränk. Und schließlich machte er der Kanzlerin das Angebot, bei der Umstellung der umständlichen griechischen Schrift auf das westliche Lateinische der EU-Verwaltung enorme bürokratische Lasten abzunehmen.
Mit ihrem untrüglichen Gespür fürs Machbare inmitten des Möglichen hatte die Bundeskanzlerin noch während des Telefonats den Finanzminister hinzurollen lassen und ihm vom Vorschlag Erdogans erzählt. "Warum nicht?! Dann soll das halt wieder mal die Treuhand machen!", schlug Schäuble vor und hatte schnell Pi mal Daumen überschlagen, dass es sich bei einer Übernahme Griechenlands durch die Türkei um einen ähnlichen Vorgang wie bei der deutschen Einheit handelte - sowohl von den Bevölkerungsproportionen und den ökonomischen Voraussetzungen her als auch von der gegenseitigen Anhänglichkeit und Lebensart.
"Weiß es der Papandreou schon?", fragte der fahrende Minister seine Chefin. Angela Merkel schüttelte den Kopf. Aber Schäuble schien das nicht zu stören. Denn er hatte die Lösung gleich parat: "Ich habs! Für die Türkei übernehme ich die Treuhandverhandlungen formal im Auftrag Suleymans des Prächtigen, der den Geltungsbereich des osmanischen Grundgesetzes schon immer bis an die Ostgrenze Italiens ausdehnte - und den Griechen auf der Gegenseite der Verhandlungen schicken wir wie gehabt den Günther Krause auf die Akropolis. Der Faulpelz sitzt doch eh im Knast und hat nicht viel zu tun. Aber den Griechen die Botschaft überbringen muss, wie im Altertum, ein Läufer mit so einem Menetekel in der Faust.
Am besten ein Marathonläufer wie der Dieter Baumann oder Joschka Fischer. Und er soll auch einen von der Opposition mitnehmen, damit die Griechen wissen, dass sie nicht auf Neuwahlen hoffen können. Warum nicht diesen Özdemir, damit die Athener gleich verstehen, auf was das Ganze hinausläuft. Und wenns keiner machen will, fahr ich selber runter."
Noch gibt sich Brüssel verschwiegen, nicht einmal der sonst so redselige Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, hat sich bislang verplappert. Aber die Vorbereitungen sind längst angelaufen. Die Türkei hat bei der EZB die Schulden Griechenlands bereits getilgt und plant nun im Gegenzug die Einführung des Euro.Und wenn am 1. Juli der polnische Staatspräsident Komorowski die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, steht an seiner Seite ein neuer treuer Freund des europäischen Gedankens: Tayyip Erdogan, der Retter Griechenlands.
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