die wahrheit: Ekliger Karamelengel
Sprachwissenschaft: Eine Einführung in die Permutationsanalyse.
"No name jokes", hört man immer wieder, sei die eiserne Fräulein-Faustregel des ernst zu nehmenden, also sich selbst zu ernst nehmenden Journalismus. Denn für seinen Namen könne niemand etwas. Geht in Ordnung. Sowieso.
Andere haben verfügt, dass einer fortan Durs gerufen wird - was soll er machen? Genauso unstrittig aber ist, dass einer nach Absolvierung des üblichen Sozialisationspensums geradezustehen hat für das, was er tut oder besser lässt. Seinen Charakter haben auch andere geformt, trotzdem wird man ihn dafür verantwortlich machen, wenn er nicht gelernt hat, dass man mit Hämmern Nägel und keine Köpfe einschlägt. Was hat nun dies mit jenem zu tun?
In einem der fundamentalen Trostbücher aufgeklärten Denkens, im "Tristram Shandy", hat der Autor Laurence Sterne die unwiderlegliche Theorie aufgestellt, dass der Name notwendig den Charakter eines Menschen konditioniert. In seinem Namen zeigt sich folglich, wes Geistes Kind er ist. Wenn man also jemanden für Defizite seiner psychischen Konstitution haftbar machen kann, die sich im Namen manifestieren, müsste dieser dann nicht auch für den Namen selbst Verantwortung übernehmen? Ich denke schon.
Aber darum geht es mir eigentlich gar nicht, sondern vielmehr um die Frage, inwiefern sich Sternes Theorie instrumentalisieren lässt. Anders formuliert: Ist eine Analysemethode denkbar, die aus dem Namen den ganzen Menschen extrapoliert - à la "Sag mir deinen Namen, und ich sage dir, wer du bist"? Ja, ich glaube ein solches Verfahren gefunden zu haben. Bitte, bleiben Sie doch sitzen!
Arno Schmidt hat in seiner "Etym"-Theorie bewiesen, wie man durch leichte "Verschreibungen" die immer mitlaufenden unbewussten Bestandteile der Sprache sichtbar machen kann. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich behaupte, das Charakterprofil eines Menschen aus seinem Namen herauspräparieren zu können: nämlich durch anagrammatische Umstellung. Durch die Atomisierung des Eigennamens in seine Buchstabenbestandteile und die anschließende Rekreation offenbaren sich beinahe unmissverständlich die sonst eher verborgenen Eigenschaften des Namensträgers. Ich bezeichne diese Methode als Permutationsanalyse.
Eine solche kühne Theorie bedarf einer schlagenden Beweisführung. Beginnen wir mit einem plakativen Namen, dessen Träger zumindest bei einer absoluten Mehrheit, etwa 60 Prozent der deutschen Bevölkerung, als Unhold verschrien ist: Adolf Hitler. Was ergibt die Permutationsanalyse? Okay, Harold Filet bleibt noch etwas kryptisch. Aber Lothar Fidel untermauert klar die Attraktivität, die der Nationalsozialismus gerade bei jungen Männern besaß. Halfteridol offenbart Chauvinismus, Gewalttätigkeit, Starrummel. Hallo Dr. Tief muss man, glaube ich, kaum erläutern, und Hol dir Falte zeigt, dass diese Jugendbewegung ziemlich bald ziemlich alt aussehen würde. Am Ende kann man nur sagen: Da helf Tirol. Ja, hätte es doch nur geholfen!
Nehmen wir einen anderen Kriegsverbrecher: George W. Bush. Gebuerg Show meint doch offensichtlich, dass man sich auf sein Wort nicht unbedingt verlassen sollte. Stimmt also! Gewuergs Boh (vulgo: Beau) verweist auf seine fehlende Eloquenz bei gleichzeitiger Strahlemann-Attitüde. Und Gewerbshugo demonstriert, was von ihm als Politiker zu erwarten war. So geb ewg Ruh - leider hat er sich nicht daran gehalten.
Gut, das war einfach. Bleiben wir bei den Staatenlenkern - Helmut Kohl. Helmuth Klo! In selbiges griff das Wahlvolk immer und immer wieder. Hol Melkhut. Wer da wohl gemolken wurde? Seine Berühmtheit als Kanzler der Einheit ist Hohlem Kult zu verdanken. Und das überraschte uhh! tolle km hätte als eine Vorausdeutung auf die enorme Laufzeit des Modells Kohl gelesen werden können, wenn es schon einer zu lesen verstanden hätte.
Aber wie ist es bei den Menschen, deren Bewertung noch nicht so eine ausgemachte Sache ist? Auch und gerade hier leistet die Permutationsanalyse hervorragende Dienste. Wie wird wohl Rainer Brüderle in die Annalen eingehen? Sein Name verräts: als Ruraler Bediener, Erdbraun Leierer, der Irrreden Erlaube. Na, ehrlich gesagt, wir haben nichts anderes erwartet. Und unsere Bundeskanzlerin? Knallmegaere, Managerkelle, Galle am Kerne, Ekelgen-Alarm, Generalmakel. Ziemlich eindeutig. Da erwartet uns noch einiges. Aber über allem schwebt, ihre Camouflage-Künste sollte man eben auch nicht unterschätzen, ein lutschleckerer Karamelengel.
Die Nagelprobe für die Stimmigkeit einer Theorie ist allemal der Selbstversuch. Aber auch hier offenbart die Permutationsanalyse ihre Eleganz. Mit dem Scharfen Freak kann der Autor leben. Es gibt weiß Gott Schlimmeres! Und auch der Karaffenscher(ge) ist ihm kein ganz Unbekannter mehr. Quod erat demonstrandum. Cui bono? Gummi arabicum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin