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die wahrheitMit Affe, ohne Affe

Google Street View hat jetzt einen neuen Service.

Vor und nach einer Katastrophe wie in Japan nimmt Google Street View neuerdings die betroffenen Gebiete auf und vermittelt so ganz neue Einblicke in die Vergangenheit und die Zukunft gefährdeter Regionen. Bild: reuters

Der Internetkonzern Google geht mit seinem Street-View-Dienst neue Wege und hat einen "Before & After"-Service entwickelt. Nach der Tsunami-Katastrophe in Japan hatte Google seine Kamerawagen auf insgesamt 44.000 Kilometern durch die betroffenen Regionen geschickt. Die entsprechende Website "Memories for the Future" zeigt nun die "beklemmenden" (Spiegel Online) Vorher-nachher-Bilder von Orten, Häusern und Straßen. Damit wolle man unter anderem die Auswirkungen von Naturkatastrophen für jeden erlebbar machen, teilte der Konzern mit.

Dies sei aber erst der Anfang. Aufgrund rasanter globaler Veränderungen gebe es praktisch überall Bedarf für solche Fotos. So habe sich während der Aufnahmen in Japan eine zukunftsweisende Zusammenarbeit dem Unternehmen Fujitsu ergeben, das den derzeit schnellsten Super-Rechner der Welt besitzt, erklärte Google-Sprecher Harry Plage. Der sogenannte K-Computer kann in acht Billiarden Rechenschritten pro Sekunde präzise Wetterprognosen treffen und Erdbeben voraussagen - "ideale Voraussetzungen, um rechtzeitig am richtigen Ort zu sein", so Plage. Zum Beispiel in den Überschwemmungsgebieten von Pakistan, Thailand oder Sri Lanka.

"Angeblich waren die Katastrophen ja abzusehen", sagt Kameramann Georg Lomo, "aber uns hat natürlich kein Schwein Bescheid gesagt". Allein in Pakistan gebe es eine Menge zu tun. "In der Provinz Sindh wurden Millionen von Häusern zerstört. Was meinen Sie, was die Leute sich freuen würden, wenn sie nochmal sehen könnten, wie es da vorher aussah. Und dann die Trümmer! Das wird man besonders in Deutschland nachvollziehen." Die speziellen Kameraboote, mit denen Google Street View derzeit im brasilianischen Amazonasbecken unterwegs ist, seien problemlos auf überfluteten Landstrichen einsetzbar. Eine mobile Task-View-Einheit halte sich ab sofort in Pakistan bereit, auch außerhalb der Monsunzeit. "Irgendwo fällt mal eine US-Drohne runter, da geht immer was kaputt", winkt Lomo ab.

Im Nachbarland Afghanistan sei Google Street View bereits weit vorangekommen, und mithilfe der Aufnahmen ließen sich deutliche Fortschritte erkennen. "Vorher ein öder Wüstenstreifen, nachher ein blühendes Mohnfeld. Und das alles auf fantastischen 360-Grad-Panoramafotos", schwärmt Harry Plage. Zu Weihnachten plane Google, alle Soldaten der Isaf-Schutztruppen mit einem hübsch gestalteten "Erinnerungen für die Zukunft"-Bildband zu überraschen.

Auch für den Artenschutz ließen sich Vorher-nachher-Aufnahmen nutzen. Erste Tests beim Coltan-Abbau in der Demokratischen Republik Kongo, wo der Lebensraum der heimischen Gorillas bereits weitgehend zerstört ist, hätten "faszinierende" Ergebnisse erzielt. "Erstes Foto: Mit Affe. Zweites Foto: Ohne Affe. Aber in Afrika muss man ja eh immer zweimal hinschauen, um einen Unterschied zu erkennen, kleiner Scherz", sagt Plage.

Google Street View plane, sein Engagement auf mehrere Länder des Kontinents auszuweiten. Eine der größten Herausforderungen sei die Arbeit in Somalia. "Mogadischu sieht heute aus wie Hamburg 1945. Aber dieses ungeheure Potenzial liegt einfach brach, weil diese dämlichen Shabab-Milizen keinen Geschäftssinn haben", klagt Kameramann Lomo. Dabei lasse er sich seit Jahren extra die Barthaare wachsen.

Sogar die radikalislamische Hamas habe sich deutlich kooperativer gezeigt. Schließlich ließe sich mit dem Street-View-Dienst die Siedlungsfrage, einer der zentralen Streitpunkte im Nahost-Konflikt, endgültig klären, glaubt Plage. "Bisher kapiert da ja keiner mehr, wer wo wohnt." Im Westjordanland habe man daher die Kameras um 50 Zentimeter höher gelegt, um Einblicke in israelische Neubauten ermöglichen zu können. "Damit war die Hamas sofort einverstanden, die kommen einem nicht mit Datenschutz."

Dies könnte Google allerdings in Japan noch zum Verhängnis werden. Das japanische Ministerium für Inneres und Kommunikation wirft dem Konzern vor, sich an elementare Absprachen nicht gehalten zu haben, und forderte den sofortigen Stopp der "Memories for the Future"-Internetseite. Das Ministerium hatte bereits 2009 verlangt, Google müsse öffentlich bekannt geben, wo und wann Kamerawagen durchfahren, um lokale Behörden und betroffene Einwohner zu informieren. Dies sei bei den Aufnahmen in diesem Sommer aber nicht erfolgt, beklagt ein Ministeriumssprecher. Man werde Google zur Rechenschaft ziehen und "stoppen, kühlen, einsperren". Harry Plage erwiderte, die Vereinbarung sei durch höhere Gewalt obsolet geworden: "Wo keiner wohnt, kann sich auch keiner beschweren."

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