piwik no script img

die wahrheitKomm rüber, Karl-Theodor!

Was in Deutschland auf Blogs wie Guttenplag oder Vroniplag in kollektiver Zusammenarbeit erledigt wird, macht in China ein Mann praktisch im Alleingang.

W as in Deutschland auf Blogs wie Guttenplag oder Vroniplag in kollektiver Zusammenarbeit erledigt wird, macht in China ein Mann praktisch im Alleingang: Er heißt Fang Shimin und ist eigentlich Biochemiker. Bekannter ist er unter seinem Autorennamen Fang Zhouzi, unter dem er seit mehr als zehn Jahren ein Blog betreibt. Hier entlarvt er nicht nur alle möglichen Überlieferungen der traditionellen chinesischen Medizin als Humbug, sondern auch zahlreiche chinesische Wissenschaftler, Wirtschaftsführer und Beamte als Betrüger, Plagiatoren und Blender.

Im Moment hat er sich Li Qun vorgeknöpft, den Parteisekretär der ostchinesischen Großstadt Qingdao. Der hat ein Buch veröffentlicht, das "Meine Erfahrungen als Assistent eines amerikanischen Bürgermeisters" heißt. Der fragliche Bürgermeister der Stadt New Haven kann sich allerdings nicht daran erinnern, im fraglichen Jahr 2000 einen chinesischen Assistenten gehabt zu haben. Fang behauptet deshalb, Li Qun habe seinen illustren Job schlicht erfunden.

Noch ist nicht ganz geklärt, ob der Funktionär nicht vielleicht doch als Praktikant im Rathaus von New Haven gearbeitet hat. Aber am Ende ist es meistens Fang, der recht behält. Insgesamt neunhundert Betrüger will er bisher entlarvt haben, zum größten Teil auf akademischem Gebiet. Einer seiner spektakulärsten Fälle war der von Tang Jun, einem hochdekorierten Wirtschaftsführer, der unter anderem Präsident von Microsoft China war.

Auch Tang hatte eine Buch geschrieben und darin behauptet, sowohl am renommierten California Institute of Technology als auch an der japanischen Universität von Nagoya promoviert zu haben. Im letzten Jahr wies ihm Fang Zhouzi nach, dass das nicht stimmt. Schließlich war Tang gezwungen einzuräumen, seinen Doktortitel bei einem dubiosen amerikanischen Institut für rund 3.000 Dollar gekauft zu haben.

Geschadet hat ihm das allerdings keineswegs. Auch heute noch ist Tang Jun ein erfolgreicher Unternehmer. Er führt einen großen chinesischen Mischkonzern und sitzt in diversen Aufsichtsräten. Auf seine Betrügereien ist er sogar stolz: "Es ist keine Kunst", erklärte er in einem Interview, "eine einzige Person zu betrügen. Aber du verfügst über echte Fähigkeiten, wenn sich jeder von dir hereinlegen lässt. Das ist ein Zeichen von Erfolg." Auch andere von Fang entlarvte Koryphäen machen einfach weiter wie zuvor. Selbst Xiao Chuanguo erschien wieder an seinem Arbeitsplatz. Und dieser Urologe hatte immerhin fünf Monate im Gefängnis gesessen, weil er Fang Zhouzi wegen einer Enthüllung mit einem Hammer attackieren ließ.

Angesichts dieser Verhältnisse frage ich mich, weshalb der deutsche Chefplagiator zu Guttenberg eigentlich in die USA gegangen ist? Dort ist er ein Niemand. Bei uns in China aber wäre er ein gemachter Mann. Also, Karl-Theodor, komm rüber! Wenn du willst, gründen wir hier sogar eine eigene Uni für dich. Da kannst du dann deinen ganzen zusammenkompilierten Guttenbergkrempel lehren: als wirklich, echte Wissenschaft!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • H
    HCL

    Ja, den Lincolnspruch hat Raymond Chandler schön tagesaktuell in "Playback" aufgegriffen:(Marlowe): "Wie Lincoln schon sagte, eine Zeitlang kann man alle Dedektive hinters Licht führen, und ein paar von ihnen sogar die ganze Zeit, aber man kann unmöglich..." - "Schluß jetzt! Sofort Schluß jetzt! Verdammt noch mal, wer glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?" (Recht hat sie, die Betty Mayfield!)

    Wenns beim Studium nur darum geht, nen akademischen Grad für Briefkopf und Klingelknopf zu erlangen, sollten Leute á la Guttenberg oder Chr. Schröder sich den einfach kaufen dürfen. so wie der Pfundskerl aus Ch`in. Statt h.c. (honoris causa) halt Dr. m.c. (monetaris causa). Oder halt bei unsrer Familienministerin Dr. v.b. (Vitamin B). Dann haben die echt studieren Müssenden mehr Platz in der Uni, und uns bleiben fürderhin Schlagzeilen wie "Guttenberg gibt Titel ab!" erspart, wenn doch nur der akademische Grad gemeint ist und nicht der von und zu.

    Oder wie Goethe meinte, Faust 1: (Mephisto): "Ich grüße denn gelahrten Herrn! Ihr habt mich weidlich schwitzen machen." Die Journalisten findens raus, grad als wie die privat noses. Lieben Dank an CYS und Sikasuu, das "Geh doch rüber!" aus Spontizeiten hab ich so lang nicht mehr gehört, es wurde mir ganz warm im Bauch vor Reminiszenz.

    Euer Dr.h.c. Zeitler

  • T
    tazitus

    @ Ralph Klein: Hihi, das passt ja. Der Bob Marley-Text ist im Original von Abraham Lincoln.

  • R
    reblek

    "Angesichts dieser Verhältnisse frage ich mich, weshalb der deutsche Chefplagiator zu Guttenberg eigentlich in die USA gegangen ist?" - Eine indirekte Frage muss leider auf ein Fragezeichen verzichten.

  • RI
    Rentnern ist langweilig

    Das besondere ist ja, das er sich um den Inhalt kümmert und dort Fehler sucht wenn auch die eher einfach zu findenden offensichtlichen Betrügereien. Das wollte ich auch schon, als ich sah, wie viele Informatik-Diplomarbeiten erfunden sind und wie viel bei Dr-Arbeiten aus den Fingen gesogen wird.

    Aber das die Betrüger noch eine Stufe dümmer agieren und einfach plagiieren kannte ich zwar damals aus Seminaren und Hausarbeiten aber für Diplomarbeiten und Dr-Arbeiten konnte ich mir das nicht vorstellen. Bis ich auf der nach unten offenen Dummheits-Skala eines besseren belehrt wurde.

     

    Die taz hat bis heute keine Telefonbücher verglichen und geschaut wer seinen Dr-Titel nicht mehr trägt. Rentner haben nicht viel zu tun und langweilen sich.

  • S
    Sikasuu

    Eine gelungene Entwicklung zwischenmenschlicher, weihnachtlicher Kommunikationsformen!

    .

    Aus dem platte bayrischem Stammtischgeknurre:

    .

    "Geh doch nach drüben!"

    .

    hat der Autor ein hoch motivierendes, liebevolles Kunstwerk deutscher Zunge gemacht:

    .

    "Komm rüber, Karl-Theodor!"

    .

    Diese liebevolle Einladung passt so gut in diese festliche Zeit. Sie zeigt: Das Herz ist offen, auch für Gestrauchelte, voll Vergebung, selbst ohne Ansehen (der Person).

    .

    So erweist sich wieder die Wahrheit der Worte des großen Vorsitzenden: Von China lernen heißt siegen lernen!

    .

    Weihnachtliche Gruesse

    ins Reich der Mitte

    Sikasuu

    .

     

    Ps. Was machst du denn, wenn er wirklich die Einladung annimmt. KTvG ein halbes Jahr auf dem Sofa kann ganz schön anstrengend sein :-)

  • RK
    Ralph Klein

    Wie sagte Bob Marley in "Get up stand up" so schön: "you can fool some people sometimes but you can't fool all the people all the time"...

    Ich finde es schon bedenklich, wenn eine Kultur gelungenes Kopieren und Plagiieren so hochhält, als wäre es erstrebenswerter als eigene Werke.