die verständnisfrage: Liebe Onlinedater*innen, warum verhaltet ihr euch so daneben und haltet euch nicht an Verabredungen?
Frage von Emilie, 23
Antwort von Marlene Steinhauser, Studentin, 23, Wien
Zur Zeit date ich aktiv auf Apps wie Bumble oder Hinge. Ich schreibe mit Menschen in den Chats und ab und zu gehe ich auch auf Dates. Mein Bedürfnis ist eigentlich, jemanden kennenzulernen, mit dem ich mir eine Beziehung vorstellen kann. Onlindating kann aber auch unglaublich überfordernd sein. Da kommt es schon vor, dass ich Dates kurzfristig absage.
Manchmal finde ich jemanden sympathisch und mache mir ein Date aus. Kurz vor dem Treffen bin ich dann doch verunsichert. Ich treffe die Person ja zum ersten Mal und mache mich verletzlich. Das kann schön sein, ist aber auch ziemlich anstrengend. Und auf jeden Fall außerhalb meiner Komfortzone.
Wenn ich dann auch noch einen harten Tag hatte, denke ich mir abends vor dem Date: Ich möchte mich jetzt eigentlich lieber mit Freund*innen treffen, bei denen ich schon weiß, dass ich mich sicher fühle. Ich gebe zu, manchmal sage ich auch einem Date ab, weil eine Freundin mich fragt, ob wir etwas unternehmen wollen.
Wobei das für mich als Frau und für viele Flintas, mit denen ich spreche, anders ist als für einen cis-Mann. Ich habe schon so oft negative Erfahrungen bei Dates gemacht, Situationen, in denen meine Grenzen nicht respektiert wurden. Letztens hat mich ein Mann bei einem Date einfach ungefragt auf den Mund geküsst. Natürlich habe ich da manchmal ein mulmiges Gefühl beim Dating. Die Soziologin Eva Illouz schreibt, dass beim Onlinedating Menschen oft zu Waren werden. Das sehe ich leider auch an meinem eigenen Datingverhalten. Das erste Mal auf Tinder war ich mit vierzehn. Da ging es gar nicht darum, jemanden kennenzulernen. Für mich und meine beste Freundin war das eher wie ein Spiel. Es hat mir diese Bestätigung gegeben: Jemand findet mich gut, jemand findet mich begehrenswert. Heute gehe ich da natürlich anders heran, aber ich glaube, ein Stück weit liegt das auch in der Struktur dieser Apps.
Ständiges Swipen, die Auswahl an möglichen Partner*innen, das auch in der Struktur dieser Apps liegt, ist riesig. Wenn ich mit mehreren Menschen gleichzeitig schreibe, dann ist es nicht schlimm, einmal abzusagen. Dann treffe ich mich halt mit jemand anderem, mein Gott. Auch, dass alle Profile ja Menschen mit Gefühlen sind, rutscht für mich manchmal zu sehr in den Hintergrund.
Dabei bin ich in Wirklichkeit ein empathischer Mensch und sehe das sehr kritisch. Egal, was die Werbungen sagen, Dating Apps wollen im Endeffekt eben nicht wirklich, dass du jemanden findest. Sie sind so konzipiert, dass du möglichst lang auf der App bleibst, möglichst viel swipest. In diese Falle tappe eben auch ich immer wieder.
Protokoll: Alena Wacenovsky
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