piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: Immunschwäche, Haarausfall, Debilität

Ernährungswissenschaftler go home!

Jetzt reicht’s. Genug jetzt. Irgendwann muss doch mal Schluss sein. Verzeihen Sie meine Verärgerung, aber da platzt mir doch die Hutschnur. Oder geht hoch, ist doch egal jetzt. Jedenfalls: Heutzutage muss man sich ja jeden Mist anhören. Wie gestern. Da kommt so ein Affe vom „Deutschen Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik“ daher und verzapft mir was von drohender Immunstörung, Haarausfall und Reizbarkeit, wenn ich kein Fleisch mehr esse. Nicht nur das: Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit drohen! Die einzige Rettung: Tabletten mit Zink und Eisen drin. Tabletten fressen! So weit kommt’s noch!

Ja, hat sie der denn noch alle? Ist es denn nicht genug, wenn ich schon seit Wochen auf mein geliebtes Steak verzichten muss, nur um gesund zu bleiben? Ja, Himmelherrgottsakramentnochmal, können diese Herren Experten und Wissenschaftler und wie die sich alle nennen sich nicht ein einziges Mal einigen? Die könnten sich doch absprechen, diese gelehrten Deppen! Heute hü, morgen hott, und wer zahlt’s? Wir, die Verbraucher.

Es ist zum Haareausraufen! Aber – genau betrachtet – vielleicht hat er ja Recht, der Ernährungsaffe. Jedenfalls würde das erklären, warum all diese Menschen aus meinem Bekanntenkreis, die sich schon seit Jahrzehnten vegetarisch ernähren, immer so blass und unausgeglichen und eigentlich ein wenig doof wirken. Haben Sie bei Vegetariern in Ihrer Umgebung doch sicher auch schon festgestellt, oder? Haben Sie nicht? Natürlich nicht! Weil’s nicht stimmt! Weil’s Unsinn ist!

Verdammt, wenn ich doch wenigstens ein einziges Steak essen dürfte. Oder einen Burger! Einen einzigen Burger nur, mit ganz viel Rinderhack und Ketchup! Gebt mir FLEISCH!! F-L-E-I-S-C-H! Wenn ich nicht bald Fleisch bekomme, hau ich hier alles kurz und klein!

Was sagen Sie? Ich sei total übergeschnappt? Ja, ist denn das ein Wunder, dass ich mich aufrege? Gestern habe ich sogar einem Kollegen das Leberwurstbrot gestohlen. Es kam zum Handgemenge! Er packte mich an den Haaren, und die blieben büschelweise in seinen Fäusten hängen! Nur das beherzte Eingreifen einiger Kollegen konnte Blutvergießen verhindern! Mmm ... Blut ... Blutwurst.

Jetzt hören Sie mir mal gut zu, meine Freundchen Ernährungswissenschaftler. Noch ein gut gemeinter Ratschlag, und es setzt was. Ab heute wird nur noch gegessen, was schmeckt. Ich glaube, ich werde krank.

STEFAN KUZMANY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen