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die stimme der kritikBetr.: Neue Stasi-Akten

DER SAUMAGENMANN UND DAS MFS-UNGEHEUER

Nach ein paar schüchternen Sonnentagen regnet es wieder in Deutschland, und auch die demokratische Normalität hat wieder Einzug gehalten. Die Bimbes-mit-Schmackes-Affäre der CDU-Unionisten, der es auf so bewundernswerte Weise ein paar Monate gelang, auf unterhaltende Art Wissenswertes zu vermitteln, ist mittlerweile vom Feuilleton auf die Witzseiten gewandert. Den diversen Radiosendern, die Kohl als alltägliche Dokusoap-mit-Spaß-dabei – „Don Kohleone“ – jeden Tag allerlei Vormittagsspäße machen ließen, fällt auch nichts mehr Rechtes ein. Kurz: Helmut „Lebenswerk“ Kohl, ein paar Monate Fels in der Quotenbrandung, ist grad nicht mehr so sehr der Straßenfeger. Doch der Saumagenmann kämpft im Stillen um seinen Wiedereinzug ins Fernsehprogramm. Unterstützung erhielt er nun von einem Gegner, der wie Thomas aus der „Big Brother“-Show längst schon ausgeschieden schien.

Der Stasi-Krake, das ruppige MfS-Ungeheuer mit seinen tausend Greif-, Absaug- und Fangarmen also, hat sich nicht nur um die Helden der deutschen Dichtkunst bemüht und wie die Nato aus lauter Fürsorglichkeit ein paar Gegner mit Uran verstrahlt; mehr als zehn Jahre lang hat sie auch Telefonate des ehemaligen Generalbevollmächtigten der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, abgehört und abgeschrieben und offenbar alles gewusst. „Deckadressen“, „Schweiz“, selbst so schwierige Begriffe wie „Walther Leisler Kiep“ waren keine Fremdworte für die sozialistische Überwachungsmaschinerie. Mag zwar einiges auch etwas durcheinander geraten sein – unter dem Stichwort „Hertie“ heißt es etwa nur knapp „Männlich, nicht erfasst“ –, im Großen war der Zielkontrollauftrag 060580 ein schöner Erfolg: Auch in der Kür sozusagen, im wortkünstlerischen Beiprogramm, beeindrucken die paar hundert Protokollseiten, die soeben aufgetaucht sind. „Haben wir noch irgendwo irgendwas beiseite geschafft?“, raunte Kohl irgendwann. „Bitte nicht diese Dinge am Telefon“, zierte sich Uwe Lüthje ein bisschen mädchenhaft. Deideidei! Wunderbar, herrlich; beglückt schweigt man beim Lesen und lächelt über die tabulosen Streiche unserer kleinen Strolche.

DETLEF KUHLBRODT

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