die stimme der kritik: Betr.: Altersmobbing gegen Lothar Matthäus
Epiteloide Muskelhernie
Der Altersrassismus grassiert in der deutschen Nationalmannschaft. Keiner will mehr mit Herrn Matthäus (39) spielen. Bloß weil der ein bisschen älter ist und nicht mehr so schnell ohne Gehhilfe über die Wiese kommt. Selbst die engsten Bayernfreunde verweigern dem Raumausstatter, der gegen Rumänien „den Raum nach vorne nicht genutzt“ haben soll, den gebotenen Respekt. „Ribbeck, lass die Jungen ran!“, grölt auch noch die Süddeutsche Zeitung und veröffentlicht zwei Meter große Bilder vom ausgewechselten Matthäus, der wie ein lepröser Fremdling zur Reservebank schlurft, wo die anderen Spieler eine Jenseits-Fresse ziehen und jeden Blickkontakt mit dem Aussätzigen meiden.
Lothar Igittigitt. Im Frühstücksfernsehen verzieht selbst Christian Ziege, der Vorsitzende der Deutschen Akneliga, volles Rohr das Gesicht, als der Reporter schüchtern nach Matthäus fragt. Der einzige, der noch zu ihm hält, ist der noch ältere Herr Ribbeck (63). Aber der spielt ja nicht mit und kann ihm keinen Ball abgeben, damit Lothar auch mal ein bisschen schießen darf. Was soll der alte Mann jetzt tun? Unter Absingen schmutziger Lieder das Lager der Deutschen verlassen und in Manhattan Vokabeln lernen? Bei der Altersbeauftragten der EU-Kommission auf Diskriminierung klagen? Oder weiter über den Rasen schlendern und sich die Rückennummern seiner Gegenspieler anschauen?
Es muss elegantere Lösungen geben. Ich sach jetzt mal: Bierhoff hat es doch vorgemacht. „Muskelfaserriss, keine weitere Stellungnahme“, bellte der Blondie in die Mikrophone. Und hat sich damit geschickt abgeseilt, um beim historischen Aus einer deutschen Mannschaft in der Vorrunde nicht dabei sein zu müssen. Auch für Lothar bietet sich die Krankenrolle an. Da er nach Belieben seine Muskeln auf- und zuklappen kann und zudem über glänzende Kontakte zur medizinischen Abteilung verfügt, sollte eine „fortgesetzt peripher epiteloide Muskelhernie mit Druck-, Dehn- und Anspannungsschmerz nebst erforderlicher Ruhigstellung“ vom Schwiegervater Müller-Wohlfahrt problemlos zu diagnostizieren sein. Das zum Krankheitsbild passende Gesicht hat Matthäus.
Unser Rat in Altersfragen: Opa, lass gut sein, mach Muskel und Klappe zu, und schau's dir von draußen an! MANFRED KRIENER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
