die stimme der kritik: Betr.: Verluste bei der Expo
Bundesamt für Vermasselungsschutz
Edmund Stoiber hat eine gute Idee. Die Verluste der Expo, erklärte die bayerische Landesregierung am Mittwoch, müssten vom Bund getragen werden – schließlich sei die Expo unter dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder konzipiert worden, und der sei nun einmal heute Bundeskanzler.
Naseweise Milchbübchenrechnung? Mitnichten! Vielmehr zeigt Stoiber erneut seine Qualität als Visionär, als Vordenker einer neuen Generation verantwortlicher Politiker und Wirtschaftslenker an der Schnittstelle zum 21. Jahrhundert. Endlich, möchte man ausrufen, zieht jemand Konsequenzen aus jahrelangem Sumpf. Der Gedanke ist genial. Jeder, der irgendwo etwas verbockt hat, schleppt diese Schuld weiter mit sich herum – und seine neuen Arbeitgeber haften selbstverständlich für in früheren Zeiten woanders entstandene Verluste. Dass da noch niemand vor ihm drauf gekommen ist! Nichtsnutze raus aus deutschen Führungsetagen! Oder, im Duktus der Unternehmensberatung: Implementation eines nachhaltigen personenbezogenen Erfolgskontrollmanagements. Ein Anstellungsvertrag für solche Menschen kommt dem Kauf einer hypotheksbelasteten Personalie gleich.
Das Modell hat Charme: Frau Breuel etwa wäre als Expo-Chefin niemals eingestellt worden, mit dieser Treuhand-Vergangenheit! Karrieren wie die des CDU-Versorgungsfalles Axel Nawrocki wären undenkbar: Der hatte erst die Berliner Olympia-2000-Bewerbung in den Sand gesetzt, dann die Berliner S-Bahn erleichtert und sich schließlich bei der Deutschen Bahn weiter verlustieren dürfen – eine lebende Zeitbombe, die nach dem Modell Stoiber rechtzeitig hätte entschärft werden können. Eine Regelanfrage beim Bundesamt für Vermasselungsschutz – und raus ist der Mann.
Wer solche Verlierer dann dennoch beschäftigt, ist selbst schuld. Der Springer-Konzern als Arbeitgeber von Welt-Chefredakteur Matthias Döpfner müsste nicht nur die 80 Millionen Mark tragen, die Döpfner in derzeitiger Funktion jährlich verpulvert, sondern sieht sich plötzlich mit Millionenforderungen von Bertelsmann konfrontiert, dem Döpfner als Chef von Wochenpost und Hamburger Morgenpost zugesetzt hat. Der DFB arbeitet bereits an einer Sammelklage gegen die New York Metro Stars. Schon bereitet man in der Friedrich-Naumann-Stiftung fiebrig den Sturz des Vorsitzenden Graf Lambsdorff vor. Erich Ribbeck wird nie wieder irgendwo irgendeine Arbeit finden. Und was macht eigentlich Theo Waigel? BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen