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die stimme der kritikBetr.: Kommunikation und Mobilität

Unbeeindruckt das gemütliche Kaltblut absatteln

Früher kam man nach einem langen Tag nach Hause und war frustriert, weil keine nette Post im Briefkasten wartete. Heute kommt man nach einem noch längeren Tag nach Hause und es ist 1. keine Post da, 2. auch kein Fax, 3. niemand auf dem Anrufbeantworter, 4. keine Mail angekommen, 5. außerdem das Handy den ganzen Tag stumm geblieben und 6. nicht mal SMS-mäßiges Piepen zu hören gewesen. Was ist denn wohl frustrierender, frage ich Sie??

Viele Möglichkeiten, das ist sozusagen die Basic Line dieser Ausführung, machen einen nicht in jedem Fall glücklicher. Genau das Gleiche könnte man jetzt in Sachen Zuspätkommen und Fortbewegung eruieren. Während früher für eine Verspätung bei einer Verabredung eigentlich nur Argumente wie „Mein Pferd lahmt“, „Ich bzw. mein Pferd hat sich verlaufen“ in Frage kamen, muss man jetzt wählen zwischen 1. per pedes: „Habe mich verlaufen“, „Guck doch mal nach draußen! Bei dem Wetter!“, 2. Fahrrad: „Hatte Platten“, „Ist geklaut“, 2. Auto: „Ich stand im Stau“, „Hatte kein Benzin und kein Geld mehr“, 3. Öffentliche Verkehrsmittel: „Verspätung wegen Sonntagsfahrplan oder Ersatzverkehr“ (Achtung! Nachprüfbar!), „Selbstmörder vor der U-Bahn“, 4. Blades (das sind diese modernen Rollschuhe, die man nicht mehr der Schuhgröße entsprechend verstellen kann): „Kopfsteinpflaster“, „Auf die Schnauze gefallen, trug glücklicherweise hässliche Knie- und Ellenbogenschützer, darum sieht man nichts, aber der Schock!“, und, jetzt kommt’s, 5. die neuen klitzekleinen Roller: „War mir zu peinlich, mit dem Ding auf die Straße zu gehen, darum gewartet, bis’s dunkel ist“, „Fahr doch mal selbst damit! Sind total langsam!“ Also: Wann, denken Sie, mussten die Menschen denn wohl öfter aufeinander warten??

Ganz genau. In diesem Zusammenhang wäre es übrigens auch mal interessant, herauszubringen, ob in Pferdekutschenzeiten die Fortbewegungsmittel eigentlich den gleichen Status- bzw. Phallussymbolzweck erfüllten, den heutzutage Autos eingenommen haben. Ob es auch „superschnelle Renn- oder Sportpferde“ gab, mit denen Herren untereinander und vor Damen angeben konnten (Achtung, Damen, aufgepasst, mein Wallach ist drei Meter lang!)? Und ob die Damenwelt, ähnlich unbeeindruckt wie heute, lieber auf einem gemütlichen Kaltblut nach Hause schaukelte, weil man den auch quasi besser einparken (bzw. absatteln) kann?

JENNI ZYLKA

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