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die stimme der kritikBetr.: Ick will ooch ne Knarre

Neu! Polizei jetzt auch mit Kampf gegen Rechtsextremismus!

Neulich habe ich beim Auf-den-Bus-Warten ein Plakat hinter mir entdeckt, an das ich mich, ohne es zu bemerken, träumerisch angelehnt hatte. Darauf stand „Ihr guter Stern“, darunter die eckige, einem Kaffeekannenuntersetzer nicht unähnliche, aber mit der Fantasie des Verzweifelten einem Stern gleichende Polizeimarke und die Telefonnummer der Berliner Polizei mit der Aufforderung, ihrem Freiwilligendienst beizutreten. Um ihr quasi bei der Verbrecherjagd zu helfen. „Knorke“, dachte ich und rief flugs an.

Am Telefon hatte ich einen „Ballinapolizeiausbildungharryhaatmannjutentach“-Mann oder so ähnlich, mit Didi-Hallervorden-Stimme. Ob ich denn auch Leute festnehmen könnte, wenn ich freiwillig mitmache, beeilte ich mich zu fragen. „Jürjen!!“, rief Didi nach hinten, „Jürjen, die will Leute festnehmen. Kannse dit?“ Jürjen nuschelte etwas zurück, und mein Gesprächspartner sagte, ich hätte natürlich „jedermanns Rechte“, was nämlich heißt, dass ich „Verdächtje“ vielleicht nicht mit Handschellen fesseln, also jedenfalls nicht in meiner Dienstzeit, aber zumindest festhalten darf. Wenn ich sie beim Böses-Tun erwische, versteht sich.

Ob ich auch ne Knarre kriegen würde, wollte ich dann wissen. „Jürjen“, rief Didi, der Telefonpolizist, „Jürjen – die will ne Knarre! Kriegt se eene?“ Jürjen nuschelte wieder, und mein Freund kicherte: „Ne MP vielleicht nicht gleich“, aber eine Waffenausbildung „könnte man schon machen. Denn Sie müssen ja lernen, wo die Patronen rauskommen, harharhar.“ Dann wollte er mir unbedingt Material schicken, aber ich simulierte ein Funkloch, krischelte etwas mit meinem Notizblock vor der Muschel, und weg war ich.

Aber das Thema ließ mich nicht los. Auf der Internetseite der Berliner Polizei, auf der ich mir weitere Anregungen erhoffte, wie ich mit Jürjen und Didi ein Sonderkommando bilden könnte, um Ganoven zukünftig einfach nur durch unseren gesunden Berliner Schnauzenhumor in die Flucht zu schlagen, fand ich unter der Überschrift „Neues bei der Polizei“ die Neuigkeit: „Bekämpfung des Rechtsextremismus“. Jürjen oder Didi waren allerdings im Netz nicht dingfest zu machen. Die sitzen wahrscheinlich den ganzen Tag mit ein paar Kreuzworträtseln am Tisch und simulieren den alten Didi-Hallervorden-„Gespielten Witz“ „Die Kriminalpolizei rät“. Und hin und wieder checken sie nach, ob die Patronen immer noch vorne rauskommen. JENNI ZYLKA

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