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die stimme der kritikBetr.: Der Glaube an das Gute

Sind Kinder im Internet Kinder oder Schokolade?

Wie man Weihnachten „Stress und Streit“ in der Familie vermeidet, erfährt man in diesen Tagen ausführlich auf der Internetseite www.kinder.de: Es muss nicht jeden Tag ein perfektes Festessen geben, es ist „auch nicht notwendig, dass Ihre Kinder Gedichte und Blockflötenstücke auswendig lernen“, nur dass Weihnachten von „Nächstenliebe und dem Glauben an das Gute handelt“, möge man doch bitte nicht vergessen.

Wer die christliche Botschaft nicht mehr so ganz parat hat, kann natürlich auf derselben Website gleich noch einmal den Text des Weihnachtsevangeliums nach Lukas nachlesen – nur einige Klicks entfernt von diversen Ratschlägen und einem ausführlichen Hintergrundbericht zur „seelischen Belastung durch unerfüllten Kinderwunsch“: „Siehe ich verkündige euch große Freude“, heißt es bei Lukas, „und das nehmt zum Zeichen: ihr werdet ein Kind finden in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“

Es bleibt allerdings zu befürchten, dass es noch in diesen Tagen zu ganz und gar unweihnachtlichem Stress und Streit für die engagierten Betreiber von www.kinder.de kommen wird. Grund dafür sind die Hegemonialbestrebungen des Süßwarenimperiums Ferrero im Internet. Die österreichische Tochtergesellschaft des Unternehmens, das seinen weltweiten Ruhm mit Kinder-Schokolade, Kinder-Überraschungseiern und anderen erfolgreichen Milchprodukten begründet hat, hat gerade den Betreiber der Domain www.kinder.at auf Unterlassung verklagt – mit der Begründung, die Bezeichnung „Kinder“ werde „von einem weit überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Hinweis“ auf die Firma Ferrero und ihre Produkte verstanden.

Wie allgemein bekannt ist, arbeiten ja nicht nur die Rechtsexperten, sondern auch die Genforscher an diesem Problem – aber noch ist die Frage, ob Kinder nun Kinder oder Kinder Schokolade sind, nicht entschieden. Bis zur endgültigen Entscheidung der Fachleute halten wir uns darum in Sachen Domain-Vergabe – gerne auch unter www.kinder.de – an die frohe Botschaft des Evangeliums: „Es geschah zur Zeit als Quirinius Statthalter in Syrien war. Und alle gingen hin, um sich eintragen zu lassen . . .“ In diesem Sinne sollte man sich also schnell noch bei einem Provider seines Vertrauens alle freien Adressen im Internet sichern. Kleiner Tipp: www.milchschnitte.de und www.lukas-evangelium.de sind schon vergeben, aber www.kinderschokolade.de ist noch zu haben. KOLJA MENSING

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