die stimme der kritik: Betr.: Ökologische Zukunft
Autowaschanlage im Aachener Dom
Was tut ein ernsthaft gewissenstief Friedensbewegter, wenn wieder mal neue Waffen gekauft werden sollen? Genau: empört dagegen sein. Umgehend wird er wider die Verschwendung argumentieren, wie es die Ökopaxe so vorbildlich in den frühen 80er-Jahren taten: Keine neuen Pershings, sondern erst die alten verbrauchen.
So ähnlich muss man sich in diesen Tagen das tapfere Aachen vorstellen. Aachen ist „Ökologische Stadt der Zukunft“, ein sehr ehrbarer und ehrgeiziger Titel. Und schon heute hat sich die gesamte Ortschaft aufgemacht – zu Naturfreundlichkeit und Schutz der Mitwelt. Die Methode: erst mal die alte Umwelt anständig verseuchen und vergiften. Erst dann kann man sie nämlich richtig entseuchen und entgiften. Und sich zuletzt mit Hurra ökologisch positionieren.
Die Musterstadt, seit 1999 nach zehn Jahren Betriebsunfall in Rot-Grün wieder schwarz-gelb regiert, will nach einer Dekade der Abstinenz schon bald wieder Unkrautvernichtungsmittel einsetzen: „im Sinne eines gepflegten Erscheinungsbildes der städtischen Flächen“, wie die Rats-CDU säuberlich argumentiert. Statt romantisierend „Wildkraut“ zu sagen, nennt man den Zivilisationsfeind jetzt auch wieder bei seinem Namen: „Unkraut“. Jäten ist zu teuer, Geräte wie Kratzbürsten gegen freches Grün zwischen edlen Betonritzen sind deutlich zu mühsam – also her mit der Herbizidkeule. Und was die Stadt so vorbildlich vormachen will, wird der gelehrige Bürger schnell aufgreifen.
Gleichzeitig hat der schwarz-gelbe Stadtrat eine neue Baumschutzsatzung verabschiedet. Diese schützt Häuser und Anwohner vor bösen Bäumen. Was zu nah an bedrohtes Immobil ragt, darf fortan weggeholzt werden. Für die Birke etwa hat es sich ab jetzt im Zweifelsfall grundsätzlich ausgewachsen: Sie ist quasi für vogelfrei erklärt worden. Anders steht es mit Autos: Die sollen, weil sie immer noch nicht fliegen können, mitten durch eine Fußgängerzone direkt zum Parkhaus in der engen Innenstadt geleitet werden. Erste Anrainer (Geschäftsleute) befürworten die neue Fußgängerbegleitautobahn bereits begeistert.
Kein Zweifel, Aachen ist auf Zukunftskurs. Sobald die störende Domrandbegrünung weggeätzt ist, wird der weltbekannte Sakralbau zum kaiserlichen Parkhaus umernannt. Mit dem durch Totalherbizide verseuchten Trinkwasser werden Autos vom Altar aus gewaschen und geweiht. Eine vorbildliche Kreislaufwirtschaft. In einer ökologischen Stadt der Gegenwart. BERND MÜLLENDER
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