die sache ist: Träume und Tod
Die Rakete vereint Erfindungsgeist, Hoffnung und Grausamkeit. In Bremerhaven ist sie Teil einer Ausstellung übers Auswandern ins All
Die Geschichte der Rakete beginnt mit dem Krieg. Im 13. Jahrhundert nutzten die Mongolen in China Schwarzpulverraketen als Waffen. In Europa wurden Raketen im 19. Jahrhundert, etwa während der Napoleonischen Kriege, zu militärischen Werkzeugen. Aber es war die Moderne, die der Rakete ihre düstere Ikonografie gab: Die deutsche V2-Rakete brachte Tod und Zerstörung über London, Tausende Zwangsarbeiter:innen starben bei ihrer Produktion. Die Rakete wurde zum Symbol für den ambivalenten Fortschritt: ein Werkzeug, das menschlichen Erfindungsgeist mit Grausamkeit vereint.
Diese Doppeldeutigkeit prägt sie bis heute. Interkontinentalraketen sind keine bloßen Waffen, sondern kulturelle Artefakte einer Welt, die am Rande der Selbstzerstörung balanciert. Ihre bloße Existenz ist eine Warnung vor dem, was Menschen zu tun vermögen, ein Spiegel ihrer Ängste.
Aber Raketen waren immer auch Symbole der Sehnsucht. Schon Jules Vernes Roman „Von der Erde zum Mond“ machte sie 1865 zum Vehikel für menschliche Träume von der Eroberung des Kosmos. Mit dem Beginn des Weltraumzeitalters, Sputnik und den Apollo-Missionen, wurden Raketen zu Ikonen des Fortschritts an sich: Sie versprachen, die Grenzen des Irdischen zu sprengen, und dass der Mensch die Sterne erreichen könne.
Die Idee, andere Himmelskörper zu besiedeln, ist ein altes Thema der Science-Fiction. Heute wird auf die Weltraumkolonisation ganz ernsthaft als „Backup“ für eine krisengeplagte Erde gewettet. Unternehmen wie SpaceX oder Blue Origin feiern Raketen als Schlüssel zu einer multiplanetaren Zukunft, in der die Menschheit auf Mond, Mars oder sogar Venus siedeln könnte. Das hat kolonialistische Züge: Der Abbau von Rohstoffen wie Helium-3 auf dem Mond weckt Begehrlichkeiten, Kritiker:innen warnen, dass wir im All die Fehler der irdischen Kolonialgeschichte wiederholen.
Der Weltraumvertrag von 1967 erklärt den Kosmos zum Erbe der Menschheit, aber private Akteure wie Elon Musk fordern das heute heraus. Die Rakete wird so zum Symbol eines neuen Imperialismus. Der „Space Race“ des Kalten Krieges war nicht nur ein Wettlauf um wissenschaftliche Errungenschaften, sondern auch ein globales Machtspiel. Heute treiben die privaten Konzerne reicher Männer die Kommerzialisierung des Weltraums voran. Das wirft neue Fragen auf: Wem gehört der Kosmos in Zukunft? Wer profitiert also von seinen Ressourcen? Die Rakete, einst ein Symbol des Gemeinwohls im All, wird insofern zunehmend zum Werkzeug weniger.
Ausstellung„Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“: bis 7. 1. 26, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Diese Ambivalenz greift die Ausstellung „Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“ im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven auf: Sie zeigt historische Objekte wie eine 40.000 Jahre alte Mondphasen-Plakette neben Raumfahrtmodellen und Kunstwerken. Und im „Wahl-Forum Space Migration“ kann man mitdenken, wie die Zukunft im All aussehen könnte. Robert Matthies
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