die nachricht: Vier Euro weniger dank Bürgerversicherung
Laut einer Bertelsmann-Studie würden die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung sinken, wenn auch besser verdienende Privatversicherte dort Mitglied sein müssten
Das Neue
Das Berliner IGES-Institut hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ausgerechnet, wie viel Geld Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und ihre Arbeitgeber sparen würden, müssten alle privat Versicherten in eine gesetzliche Kasse eintreten. Im Schnitt wären es 145 Euro im Jahr, also rund 12 Euro im Monat pro Mitglied.
Würden die Kassen allerdings den Ärzten die Honorarverluste ausgleichen, die durch den Wegfall der Privatpatienten entstünden, wäre die Ersparnis deutlich geringer. Sie betrüge dann nur noch 48 Euro im Jahr, also 4 Euro im Monat je Versicherten. Da die Krankenkassenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern jeweils hälftig übernommen werden, läge die Ersparnis beim Nettolohn für jeden Arbeitnehmer dann nur noch bei 2 Euro im Monat.
Der Kontext
Die in der Studie errechnete Einsparung für die Versicherten ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass vor allem Besserverdienende in den Privatkassen (PKV) versichert sind. Sie verdienen im Durchschnitt 56 Prozent mehr als gesetzlich Versicherte. Diese als Mitglieder in eine gesetzliche Kasse zu bringen, würde deren Beitragsvolumen somit überproportional erhöhen. Die bisherigen Mitglieder der gesetzlichen Kasse müssten dann entsprechend weniger an Beiträgen bezahlen. Im Ergebnis könnte der Beitragssatz um 0,2 bis 0,6 Prozentpunkte sinken.
Die errechnete Einsparung kommt aber auch durch das bessere „Risikoprofil“ der Privatversicherten zustande. Diese sind laut Studie gesünder. Unter den gesetzlich Versicherten finden sich „mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit“, heißt es in der Mitteilung zur Studie.
In der Studie untersuchten die Autoren auch am Beispiel Bayerns den Zusammenhang zwischen der regionalen Verteilung von Privatversicherten und der Niederlassung von Ärzten. Die Ergebnisse zeigen, dass in Gegenden mit einer hohen Anzahl Privatversicherter überdurchschnittlich viele Ärzte ansässig sind.
Die Reaktionen
Die Auflösung der Privatkassen in eine Einheitsversicherung, eine „Bürgerversicherung“, ist eine alte Forderung der SPD, der Linken und der Grünen, die immer schon auf Widerstand in der Politik, bei Ärzten und Arbeitgebern gestoßen ist. Entsprechend fielen die Reaktionen auf die Bertelsmann-Studie aus. Von einem „Griff in die ideologische Mottenkiste“ sprach Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnte davor, dass die hohe Lebenserwartung der Privatversicherten, darunter viele Beamte, womöglich am Ende doch höhere Krankheitsausgaben für die gesetzliche Krankenkasse zur Folge hätte und solcherart ein „böses Erwachen“ drohe.
Die Konsequenz
Das Thema „Bürgerversicherung“ ist durch die Studie wieder etwas mehr in den Fokus gerückt, zumal demografisch bedingt höhere Gesundheitsausgaben erwartet werden. Barbara Dribbusch
meinung + diskussion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen