die nachricht: Carles Puigdemont bleibt in Deutschland auf freiem Fuß
Die Staatsanwaltschaft will den katalanischen Separatisten nach Spanien ausliefern – doch Richter widersprechen. Der Rebellionsvorwurf scheint passé, der Untreueverdacht bleibt
Das Neue
Der Auslieferungshaftbefehl gegen den katalanischen Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont bleibt ausgesetzt. Das entschied am Dienstag das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. Es lehnte damit einen Antrag von Generalstaatsanwalt Wolfgang Zepter ab. Das OLG sieht nach wie vor keine Fluchtgefahr, weil Puigdemont keine Auslieferung wegen Rebellion drohe.
Der Kontext
Gegen Puigdemont besteht ein Europäischer Haftbefehl wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Ihm wird vorgeworfen, dass er ein unzulässiges Referendum über die Abspaltung Kataloniens vom spanischen Staat im Oktober 2017 trotz drohender Gewalt nicht abgesagt und mit staatlichen Mitteln finanziert hatte.
Aufgrund dieses Haftbefehls war Puigdemont im März in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Das OLG Schleswig hatte Anfang April Auslieferungshaft angeordnet, diese aber mit Blick auf die geringe in Spanien drohende Strafe ausgesetzt. Eine Auslieferung wegen Rebellion sei von vornherein unzulässig, weil die beim Referendum zu erwartende Gewalt nicht geeignet gewesen wäre, die spanische Regierung zur Kapitulation zu zwingen. Ein Auslieferung wegen Untreue sei dagegen denkbar, allerdings bat das OLG die spanische Justiz um weitere Informationen.
Zur Untreue erklärte Spanien, dass die katalanische Regierung Ausgaben für das Referendum in Höhe von 1,6 Millionen Euro beschlossen habe. Für Generalstaatsanwalt Zepter genügt das für eine Auslieferung. Ob das Geld tatsächlich ausgegeben wurde, sei für die Auslieferung egal, es genüge ein „Gefährdungsschaden“. Das OLG äußerte sich hierzu jedoch zweifelnd.
Die spanische Justiz lieferte – ungefragt – auch zusätzliche Informationen (inklusive Videoaufnahmen) zum Vorwurf der Rebellion, die zumindest den Generalstaatsanwalt überzeugten. Der Grad an Gewalt – unter anderem wurden Absperrgitter auf spanische Polizisten geworfen – sei geeignet gewesen, die spanische Regierung zum Einlenken zu bewegen, weil die Gewalt in der ganzen Region ausgeübt wurde. Das OLG blieb aber dabei, dass das Ausmaß der Gewalt nach deutschem Recht nicht für einen Hochverrat reichen würde, weshalb die beidseitige Strafbarkeit fehle.
Auch der Hinweis Zepters, dass nach deutschem Recht auch ein Landfriedensbruch vorliegen könnte, überzeugte das OLG nicht. Puigdemont könne nicht als Hintermann von Gewalttätigkeiten gelten, die „eher zufällig und vereinzelt“ an unterschiedlichen Orten der Region stattfanden.
Die Konsequenz
Über die Zulässigkeit der Auslieferung wird das OLG endgültig entscheiden, wenn Generalstaatsanwalt Zepter einen entsprechenden Antrag vorlegt. Es wird dann voraussichtlich nur noch um Untreue und nicht um Rebellion gehen.
Die Reaktionen
Puigdemont will bis auf Weiteres in Berlin wohnen und sich regelmäßig bei der Polizei melden.
Christian Rath
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