die kinderfrage: Sind Künstler besondere oder verrückte Menschen?
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Jelena, 11 Jahre alt.
Liebe Jelena, weil ich selbst keine Künstlerin bin – also keine, die Bilder malt oder tanzt oder Theater spielt –, habe ich kurzerhand 45 Künstler*innen gefragt, wie sie das sehen. 9 von ihnen haben gesagt: „Ja, ich bin ein bisschen verrückt.“ 17 meinten: „Ich bin besonders.“ Und die restlichen 19 sagten: „Ich bin ganz normal“ – was auch immer das heißen mag.
Ich musste über ihre Antworten schmunzeln. Denn jede passte irgendwie genau zu der Person, die sie gegeben hatte, und auch zu der Kunst, die sie macht. Schön fand ich, dass viele der Künstler*innen von sich selbst sagen konnten, dass sie besonders sind. Und ein bisschen schade fand ich, dass einige meinten, sie wären es nicht. Vielleicht muss denen mal öfter jemand sagen, wie besonders es ist, was sie da den ganzen Tag machen.
Es ist ja oft so, dass wir uns selbst anders sehen als andere. Vielleicht kannst du etwas richtig gut – Schnick, Schnack, Schnuck oder schielen oder witzige Geschichten erzählen – und merkst es gar nicht. Weil es sich für dich ganz normal anfühlt. Und erst wenn jemand anderes sagt: „Wow, das ist toll!“, begreifst du, dass es gut ist. Im Grunde genommen ist jeder Mensch besonders – weil es jede*n von uns nur einmal gibt auf dieser Welt. Niemand sieht, fühlt oder erlebt die Dinge genauso wie du. Niemand macht sie genauso wie du. Oder wie ich. Oder wie jemand anders.
Es gab mal einen sehr berühmten Künstler in Deutschland, der hieß Joseph Beuys. Der war auf jeden Fall auch ein bisschen verrückt. Er hatte immer einen Hut auf und hat Kunst gemacht, die manchmal gar nicht aussah wie Kunst. Er hat zum Beispiel mit einem Kojoten in einer Galerie übernachtet oder 7.000 Eichen gepflanzt. Joseph Beuys hat mal gesagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – oder eine Künstlerin. Damit meinte er nicht, dass alle gleich gut malen oder singende Säge spielen können, sondern dass jeder Mensch etwas gestalten kann. Unser Zusammenleben, unsere Gesellschaft, die Welt um uns herum. Das ist auch eine Form von Kunst. Beuys hat sogar gesagt: Die ganze Gesellschaft ist wie eine große Skulptur, die wir gemeinsam formen. Er nannte das eine „Soziale Plastik“.
Hast du auch eine Frage? Dann schreibsie uns an kinderfragen@taz.de.
Ich finde, das ist ein schöner Gedanke. Also: Ja, viele Künstler*innen wissen, dass sie besonders sind. Manche sind vielleicht auch ein bisschen verrückt – so wie es auch in allen anderen Berufen Menschen gibt, die ein bisschen verrückt sind, also Dinge etwas anders machen als andere. Und vielleicht sind ja sogar noch viel mehr von uns Künstler*innen, als wir denken. Auch die, die es noch nicht wissen. Denn besonders, das sind wir auf jeden Fall alle. Hilka Dirks
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