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die gesellschaftskritikPokémon Go, kein Kindesmissbrauch

Löschen oder stehen lassen: YouTube greift mehrfach daneben

Am Sonntag morgen waren ihre YouTube-Kanäle plötzlich weg. 3,5 Millionen Abonnenten hatten die Kanäle von Mystic7, TrainerTips und Marksman, bevor die Plattform ihre Kanäle löschte. YouTubes Begründung: die Videos sollen „sexuell provokativen Inhalt“ enthalten haben, von „Kindesmissbrauch“ war gar die Rede. Genaueres war den Mails der Plattform nicht zu entnehmen. Ein Missverständnis. Denn bei den beanstandeten Videos handelt es sich um Clips, in denen die drei Jungmänner spielen. Pokémon Go.

Das räumte auch YouTube wenig später ein. „Angesichts des massiven Umfangs an Videos auf unserer Seite treffen wir manchmal die falschen Entscheidungen“, sagte ein YouTube-Mitarbeiter der US-Gaming-Webseite Polygon. Würden sie aber darauf aufmerksam gemacht, würden die Entscheidungen noch einmal überprüft und gegebenenfalls revidiert.

Grund dafür scheint gewesen zu sein, dass das Kürzel „cp“ in allen der von YouTube beanstandeten Videos auftauchte. Während damit im Pokémon Go „combat power“ bezeichnet wird, ist diese Abkürzung in anderen Kreisen „child pornography“, also dokumentierter Kindesmissbrauch, deren Verbreitung YouTube mit Hilfe ihrer algorithmischen Meldesysteme zu stoppen versucht.

Womit sich einmal mehr zeigt, wie kompliziert es ist, YouTube zu kontrollieren. Die Plattform wirkt mit sich selbst überfordert. Im Zuge der EU-Urheberrechtsreform ist viel über Uploadfilter gesprochen worden – und darüber, was passieren könnte, wenn eben jene Filter zu scharf eingestellt werden. Legitime Inhalte und Kanäle könnten verschwinden. Overblocking ist für viele YouTuber ein Horrorszenario.

Einerseits. Andererseits gibt es Hinweise, dass eben jene YouTube’schen Algorithmen Pädophile auf der Plattform gewähren lassen. Denn: Fast zeitgleich mit den Ereignissen rund um die prominenten Pokémon-Go-Nutzer postete der YouTuber „MattsWhatItIs“ ein Video, in dem er demonstrierte, wie er binnen weniger Klicks nur noch Filme empfohlen bekam, in denen leicht bekleidete kleine Mädchen herumturnten. Darunter wurden eindeutig sexualisierte Kommentare gepostet, und sekundengenaue Zeitangaben, wann die Kinder besonders viel Haut zeigen. Die deutsche Plattform watson.de recherchierte nach und fand ganz ähnliche Ergebnisse. Ein Schlupfloch für Pädophile, underblocked. Meike Laaff

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