die gesellschaftskritik: Rechtsextreme Scheinspielereien
„Patriot Peer“, eine App der Identitären Bewegung, könnte bald auf den Markt kommen
Eine App, die vieles können soll: „Kräfte vernetzen“, die „Mehrheit visualisieren“ und den „Widerstand als Spiel“ aufbereiten. Davon träumt die Identitäre Bewegung (IB) um Martin Sellner. Die Produktion dauerte länger als erwartet, eine Anklage gegen 17 österreichische Identitäre Mitte Mai verhinderte die Veröffentlichung durch Sellner, der selbst angeklagt war. Nun hat sich jemand gefunden, der seinen Namen für die App hergibt: Kai Alexander Naggert, IT-Manager und IB-Mitglied in Nordrhein-Westfalen. Sobald die App fertiggetestet und DSGVO-tauglich ist, soll sie erhältlich sein. Finanziert wird das Projekt durch Spenden.
„Patriot Peer“ ist zunächst eine für Jede*n zugängliche Netzwerk-App mit Ortungsfunktion. Nutzer*innen erstellen ein Profil und sehen sich und andere auf der Karte. Die können dann „gepingt“ und „gepeert“ (angestupst und durch gegenseitigen QR-Code-Scan befreundet) werden. Nutzer*innen sammeln mit jedem neuen „Peer“ Punkte und geraten in verschiedene Level. „Peers“ aus höheren Levels geben mehr Punkte.
Klingt sinnlos, aber lustig. Doch die „Patrioten“ wollen die App für rechte politische Zwecke nutzen. Auf IB-Veranstaltungen und bei politischen Aktionen soll es QR-Codes geben, die Punkte einbringen. Wenn man sich ansieht, was die IB sonst so macht, gibt es wohl bald auch Punkte dafür, Boote von Hilfsorganisationen im Mittelmeer an ihrer Arbeit zu hindern oder Social-Media-wirksame Störungsaktionen auf kulturellen und politischen Veranstaltungen durchzuführen.
Die App soll wohl rechtes und völkisches Gedankengut hip und smartphonefähig machen. Der Hass, den die IB verbreitet, soll auch noch Punkte bringen. Sympathisant*innen der IB äußern zudem befremdliche Wünsche für die App: „Kann man sich Single-Patriotinnen zwischen 18 und 25 im Umkreis explizit anzeigen lassen?“, fragte jemand unter dem YouTube-Video, in dem die App angekündigt wird.
Vor einer Sache haben IB-Anhänger*innen aber große Angst: der Antifa. Was, wenn Antifaschist*innen sich die App runterladen und so Identitäre tracken? Martin Sellner behauptet, das verhindere allein schon die Level-Struktur. Doch es scheint nicht unmöglich.
So könnten sich 100 Gegner*innen der Identitären Bewegung einfach gegenseitig auf ein höheres Level „peeren“. Ganz hypothetisch.
Susanne Brust
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