piwik no script img

die dritte meinungDie Bundesregierung verschläft das Comeback der Nachtzüge in Europa – sagt Lena Donat

Schaut man sich die Ankündigungen neuer Nachtzüge der vergangenen Monate an, scheinen wir auf dem richtigen Weg in Richtung klimafreundlichen Reisens zu sein. Frankreich holt den Nachtzug Paris–Nizza aus der Schublade, der Nightjet der österreichischen ÖBB fährt von Wien jetzt auch nach Amsterdam und Split. Und auch in der Schweiz und Schweden nehmen Nachtzüge Fahrt auf. Neue Nachtzug-Start-ups entstehen und wollen bald Verbindungen von „einfach“ bis Luxus anbieten.

In vielen unserer Nachbarländer erhält die Branche Rückenwind von Regierungsseite. Nicht jedoch in Deutschland. Zwar träumt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der Wiederbelebung des Trans-Europ-Express und in diesem Zusammenhang auch von einigen zusätzlichen Nachtzügen. Jedoch tut die Regierung bisher nichts, um diesen Traum auch Wirklichkeit werden zu lassen. Weder drängt der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn diese dazu, das Nachtzuggeschäft wiederaufzunehmen. Noch bemüht sich die Bundesregierung, die Ausgangsbedingungen für alternative Anbieter zu verbessern.

Die Start-ups haben es nämlich nicht einfach. Schlafwagen vom Second-Hand-Markt sind vergriffen oder wurden voreilig verschrottet. Startkapital für den Bau einer neuen Flotte ist schwer aufzutreiben. Nachtzüge zahlen zudem auf jedem Kilometer Schiene eine Maut – und die ist in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarländern saftig. Und schließlich ziehen Nachtzüge gegenüber dem Flugzeug preislich den Kürzeren, unter anderem weil Flüge ausgenommen sind von der Mehrwert- und der Energiesteuer.

Lena Donat

ist Referentin für klimafreundliche Mobilität bei Germanwatch e. V. Sie setzt sich für den europäischen Bahnverkehr ein und hat ein Netzwerk europäischer NGOs zu diesem Thema gegründet.

Für diese Wettbewerbsnachteile ist der Staat verantwortlich – und es gibt Lösungsmöglichkeiten. Doch in Regierungskreisen und im Bundestag scheint immer noch der Glaube vorzuherrschen, Nachtzüge seien nur etwas für Nost­al­gi­ke­r:in­nen und höchstens ein Nischenprodukt. Das ist falsch: 63 Prozent der Erwachsenen in Deutschland würden laut einer „Yougov“-Umfrage gern mit Nachtzügen fahren.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen