die dritte meinung: Für die SPD wäre der Todestag Rosa Luxemburgs eine Chance gewesen. Sie wurde vertan, sagt Uwe Soukup
Uwe Soukup
ist 1956 geboren und freier Journalist. Von 1997 bis 2000 war er Redakteur bei der Tageszeitung junge Welt. Er ist unter anderem Autor von „Der 2. Juni 1967 - ein Schuss, der die Republik veränderte“ (2017), „Wie starb Benno Ohnesorg?“ (2007).
Die roten Nelken sind entsorgt. Der 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ist Geschichte, aber es lohnt ein kurzer Blick zurück. Zu Beginn der Revolutionsfeierlichkeiten, am 9. November des vergangenen Jahres, ließ die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles aufhorchen. Während einer Feierstunde im Willy-Brandt-Haus fiel der Satz, wonach es als wahrscheinlich gelte, dass Gustav Noske (SPD) bei der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts seine Hand im Spiel gehabt habe.
Viele fragten sich damals, wie wohl die SPD im Januar die einmalige und unwiederbringliche Gelegenheit nutzen würde? 100 Jahre! Niemand erwartete ernsthaft, dass Frau Nahles nach Friedrichsfelde zu den Gräbern pilgerte. Aber es gibt Gedenkorte genug, etwa im Tiergarten, genau dort, wo die Mörder die Leiche Luxemburgs in den Landwehrkanal warfen.
Was also würde auf Nahles’ Worte folgen? Gedenken, bedauern, entschuldigen gar? Anfragen blieben unbeantwortet; es geschah – nichts. Unmittelbar vor dem Gedenkwochenende ließ Nahles verlauten, die SPD lehne es ab, die Verantwortung für den Doppelmord zu übernehmen, da es an „endgültigen Beweisen“ für die Verwicklung Gustav Noskes in die Morde fehle. Wie bitte?
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht stellte die Weichen für das Scheitern der Weimarer Republik: Die SPD warf sich den reaktionären Militärs an den Hals, die Republik geriet auf eine schiefe Bahn nach rechts, auf der es kein Halten mehr gab. Der Riss zwischen SPD und der neu gegründeten KPD wurde unüberwindbar und die KPD ihrer klügsten Köpfe beraubt. Die „verhängnisvolle Spaltung der Arbeiterbewegung, die ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg hatte“ (so Nahles im November), war die Voraussetzung für den unaufhaltsamen Aufstieg der Nazis.
Wir reden hier also nicht von Kleinigkeiten. Es gibt einmalige Gelegenheiten im Leben, auch im Leben einer Partei, die man nutzen sollte. Für die SPD war der 15. Januar 2019 so ein Tag. Am Ende hat es nicht einmal für ein paar Blümchen gereicht.
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