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die dritte meinungDas neue Einwanderungssystem macht mich zum Brexit-Opfer, sagt Tanja Bueltmann

Tanja Bueltmann

ist Professorin für Geschichte an der Nor­thumbria-Universität in Newcastle. Seit dem Referendum setzt sie sich für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien ein.

Der Brexit war immer darauf ausgelegt, das Recht von EU-Bürgern zu beenden, durch die Freizügigkeitsregelung nach Großbritannien zu kommen. Die Gesetzesvorlage der britischen Regierung für ein Einwanderungssystem nach dem Brexit setzt genau das um. Ab 2021 werden EU-Bürger nur auf dessen Basis nach Großbritannien kommen.

Die Gesetzesvorlage basiert auf einer Klassifizierung nach Gehalt. Wer unter 30.000 Pfund im Jahr verdient, wird automatisch als „gering qualifiziert“ eingestuft. Für diese Kategorie soll es ein auf ein Jahr begrenztes Arbeitsvisum geben. Aber nur für eine Übergangsphase und nur für Bürger bestimmter Länder. Diejenigen mit einem Gehalt von über 30.000 Pfund gelten als „hoch qualifiziert“ und werden sich auf verschiedene Visa bewerben können.

Die gewählte Gehaltsschwelle ist sehr hoch. Mit Qualifikationen hat sie nicht viel zu tun: Hätte es diese Schwelle gegeben, als ich vor zehn Jahren nach Großbritannien zog, wäre ich abgewiesen worden – samt meinem Doktorgrad. Dies trifft auf 75 Prozent aller EU-Bürger zu, die bereits in Großbritannien wohnen, und macht deutlich, welche Auswirkungen das neue Einwanderungssystem haben wird. Krankenschwestern, Ingenieure und Akademiker – viele verdienen zu Beginn ihrer Karriere weniger. Sie alle müssten dann draußen bleiben.

Selbst Studien der Regierung machen deutlich, dass die Gesetzesvorlage schlecht für das Land ist. Aber Fakten spielen beim Brexit selten eine Rolle: er ist vor allem reiner Populismus. Und so bedeutet die Gesetzesvorlage letztendlich nur eins: Großbritannien isoliert sich selbst und zieht die Brücke hoch.

Für EU-Bürger wie mich, die bereits in Großbritannien leben, hat das negative Folgen: nun stehen wir wieder im Zentrum der Debatte. Wir sind, zusammen mit Briten, die in der EU leben, bereits jetzt Brexit-Opfer. Unsere Rechte sind nicht abgesichert. Angst und Verzweiflung sind jeden Tag greifbar. Es ist die Pflicht von Großbritannien und der EU, diese Unsicherheit endlich zu beenden.

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