die cdu lallt: Machtkampf ohne Macht
Wenn die Unionsparteien so weitermachen, dann wird der konservative Teil der Bevölkerung politisch heimatlos. Wer das für ungefährlich hält, der hat in diesen Tagen viel zu lachen. Während CDU und CSU in Umfragen niedrigere Werte erzielen als auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre, streiten ihre Führungskräfte darüber, wer die nächsten Bundestagswahlen verlieren darf und wer zu strategischen Sandkastenspielen eingeladen wird. Niedlich.
Kommentarvon BETTINA GAUS
Auch in den Ländern geht es munter zu. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ruiniert gerade sein Lebenswerk. Sein baden-württembergischer Amtskollege Erwin Teufel klagt über orkanartigen Gegenwind im Landtagswahlkampf und bläst selbst kräftig mit. Der Hamburger Spitzenkandidat Ole von Beust flirtet mit dem Rechtspopulismus. Einen „Schrei nach Führung“ glaubte Joschka Fischer einst bei den Grünen gehört zu haben. Die CDU schreit nicht einmal mehr. Sie lallt.
Das Führungspersonal der Union trägt keinen Machtkampf aus – es verfügt nicht über Macht. Mit wem verdirbt es sich denn jemand, der es sich mit Angela Merkel verdirbt? Mit niemandem, außer mit ihr selbst. Sie hat weder ein Regierungsamt inne noch einen starken Landesverband hinter sich, sondern lediglich einen unfähigen Generalsekretär. Viele finden die CDU-Vorsitzende sehr nett. Aber auf die Dauer reicht das nicht.
Edmund Stoiber, der als CSU-Politiker bundesweit ohnehin bergauf zu kämpfen hätte, hat in den vergangenen Wochen die Legende vom glänzenden Krisenmanager persönlich widerlegt. Bleibt Friedrich Merz. Umfragen zufolge käme er im direkten Wettstreit mit Gerhard Schröder auf höchstens 17 Prozent. Das kann man natürlich für einen schönen Anfang halten. Seit Merz erklärt hat, im Fernsehen nur noch zu denselben Bedingungen wie der Kanzler auftreten zu wollen, wachsen allerdings in der Fraktion die Zweifel am Realitätssinn ihres Vorsitzenden. Und nicht nur dort.
Wäre bei dem Treffen zwischen Stoiber und Merz etwas herausgekommen, vielleicht sogar eine erkennbare Linie, dann wäre es den Anhängern der Union vermutlich ziemlich gleichgültig, ob Angela Merkel daran teilgenommen hat oder nicht. Da dies aber nicht der Fall zu sein scheint, geht es jetzt – wieder einmal – nur um die Etikette. Wer eine drohende politische Heimatlosigkeit der Konservativen für gefährlich hält, der hat in diesen Tagen nichts zu lachen.
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