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die bahnunterführung

von JÜRGEN ROTH

Apfelback erhöht das Tempo. Rechter Hand steigen vom tagelangen Regen morastierte Wiesen an, auf denen sich schmächtige Fichten, Holunder- und Haselnusssträucher, klapprige Zypressen und ausgewachsene Buchen zu losen Gruppen formieren. Ja, Tiere haben Spuren hinterlassen, Pfotenabdrücke, gelöste Rasenplacken sind zu sehen, kleine Erdhaufen, womöglich Maulwürfe? Ein Hund gewiss. Wahrscheinlich spielende Hunde, kein Rudel, fünf oder sechs. Apfelback erwägt aber auch tollkühne Kinder, kuriose Greise und Gärnter, die ihre tosend leere Zeit totschlugen.

Etwa zwei Meter misst der Gehsteig von links nach rechts. Zwei Meter sind nicht viel. Der Asphalt bröckelt, gefährliche Löcher und durch Baumwurzeln verursachte Wülste übersäen das Trottoir. Eine ganz gewöhnliche Erscheinung, keine Begebenheit bislang, nur ein Zustand mittelmäßiger Art.

Apfelback beschleunigt erneut. Neben ihm fließt auf Tuchfühlung fast der Verkehr. Aus dem Augenwinkel erkennt er komfortable Karretten und polierte Karossen. Leicht fällt der Weg ab, rechts. Hier steht eine Laterne, der Mast grober Beton. Daran könnte man sich den Arm stoßen oder den Anorak aufschlitzen, wegen einiger rostiger Stahlelemente. Höchstens sechs Schritte noch. Ein blauer Bus brummt vorbei. Nun neunzig Grad rechts.

Diesig, griesig die Tunnelöffnung, zwanzig, achtzehn, elf, drei Meter. Apfelback hält inne. Aus unbestimmter Entfernung rollt ein Schwertransporter herzu. Das Licht am Ende der Unterführung erlischt. Der Transporterfahrer schaltet hoch, vierter Gang, fünfzig Sachen, geschätzt. Jetzt erzittert das Gewölbe. Der Personenzug Weimar–Erfurt–Fulda rattert über Apfelback hinweg. Apfelback hebt den Blick, das Haar pladdert ins Genick. Noch hat er den rußgeschwärzten Bogen nicht durchquert. Sickerwasser bildet Lachen. Vom Geländer, das die Eisenbahn, entgleiste sie, stoppte und einen Absturz verhinderte, fallen Tropfen. Plack, plopp!, machten sie, verstünde Apfelback sein eigenes Wort, spräche er zu sich selbst oder zu Personen, die anwesend wären. Er sinniert bloß.

Vorbei, vorbei, denkt Apfelback, und in diesem Augenblick passiert der Schwertransporter ohne Ladung. Der Anhänger hüpft, Ketten scheppern. Auch der Teer ist brüchig. Kopfsteinpflaster teils. Und der Zug? Der Personenzug Weimar–Erfurt–Fulda? Von Fulda Personen weiter transportierend via Frankfurt, Darmstadt und das Kloster Lorsch gen Worms? In die Luther- und Nibelungenstadt? An den Quell deutschen Sagenunfugs und wüsten Wahns? Dort zu laben die Durstigen, die schmachten, die geistige Not zu lindern durch Monumente germanoider Gemeinheit?

Der Zug scheint fort. Eine Amsel schnattert. Eine zweite zetert. Hinter Apfelback dröhnt unvermindert Verkehr. Kaum merklich stöhnt Apfelback. Grob gehauene Steine, offenliegende Leitungen, Gerüche nasser Pappe und feuchten Sands, kalte Luft, flatternde Plastiktüten. Ein Gang, der einzubrechen vermag. Sogar die Straßenbahn drängt zuweilen hinein. Apfelback wird ein Taxi rufen und kehrt um. Es hat keinen Sinn.

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