■ die anderen: Die „Bild“-Zeitung präsentiert sich als Verteidigerin der RentnerInnen / Der Berliner „Tagesspiegel“ sieht Schröder auf dem Weg nach Preußen ziehen / Die „Märkische Oderzeitung“ schreibt zu Johannes Raus Besuch in Polen
Die Bild-Zeitung präsentiert sich als Verteidigerin der RentnerInnen: Absenken, Kürzen, Aussetzen. Die Geistesblitze unserer Politiker zur Reform der Renten zucken fast schon im Stundentakt in die erstaunte Öffentlichkeit. Länger arbeiten? Oder doch etwas kürzer? Weniger einzahlen? Oder doch etwas mehr? Zur Zeit gibt's alles im prallen Berliner Angebot. Die Damen und Herren Reformer vergessen dabei allerdings, wie sehr sie mit jeder neu hinausposaunten Idee die Bevölkerung verunsichern. Rentenbezieher und Rentenanwärter sind nicht lästige Bittsteller, sondern haben ein Leben lang gezahlt. Ihre Lebensleistung verdient Achtung. Sie darf auch unter Reformdruck nicht leichtfertig zerredet werden.
Der Berliner Tagesspiegel sieht Schröder auf dem Weg nach Preußen ziehen: Der Ton der Republik kann sich ändern. Er kann, mit Glück, lakonischer werden, ironischer, norddeutsch-geschäftsmäßiger. Berlin ohne Pathos, das wäre ein ziemlich guter neuer Anfang. Wenn da nicht dieses Unbehagen bliebe: Wie Schröder bruchlos überging von der Erinnerung an den Kriegsausbruch vor 60 Jahren zu den Problemen im Hier und Jetzt, zur Notwendigkeit der Sanierung unserer Staatsfinanzen. Und wenn diese Politik nur halb so gut geriete wie die Vorstellung, die der Kanzler medienmäßig gibt. Dann könnten wir von Glück reden. Beim Sparpaket, den Steuern, den Minijobs, der Rente sind Risiken und Nebenwirkungen nicht gar so klug kalkuliert worden. Aber vielleicht war der Tag gestern in Berlin ein neuer Anfang auch für den Kanzler: indem er jetzt die Disziplin des Preußentums nach innen trägt.
Die Märkische Oderzeitung schreibt zu Johannes Raus Besuch in Polen: Vieles war anders an diesem 60. Jahrestag des 1. September 1939 als bei früheren Jubiläen des verhängnisvollen Datums. Fast wie zwei zufällige Spaziergänger begegneten sich die Präsidenten Deutschlands und Polens auf der Frankfurter Oderbrücke und sagten einander freundlich „Guten Tag“. Niemand brauchte mehr auf die Knie zu fallen oder um Vergebung zu bitten. Das Symbolträchtige an den gestrigen Gedenkfeiern war, dass sie ganz und gar unverkrampft verliefen. Damit verwirklicht sich eine Vision, die einer der Vorgänger des heutigen Bundespräsidenten, Gustav Heinemann, schon vor Jahren äußerte: Die einzige Chance, dass die anderen Völker vergessen, was die Deutschen ihnen angetan haben, bestehe darin, dass die Deutschen es selbst nicht vergessen.
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