die anderen:
Zur Flüchtlingstragödie von Dover, die 58 Menschenleben forderte, schreibt die britische Zeitung The Independent: Eine ablehnende Haltung gegen Asylsuchende war die Grundlage für diese Tragödie. Die Regierung, bestärkt von einer grellen Opposition, errichtet immer neue Hindernisse, um es Chinesen und anderen Flüchtlingen unmöglich zu machen, ein neues Leben in Großbritannien aufzubauen. Aber wer ist besser für das Ansehen Großbritanniens? Eine Gruppe von Chinesen, die Leib und Leben für ein neues Leben in Großbritannien riskiert, oder die Zähne fletschenden, bierbäuchigen, gewalttätigen, selbst ernannten englischen Patrioten, die in Charleroi Amok liefen? Großbritanniens Insularität hat zu einer fanatischen Ablehnung von Neuankömmlingen geführt. Doch der richtige Weg, um Tragödien wie diese zu vermeiden, ist nicht eine weitere Verschärfung der Asylgesetze. Im Gegenteil: Die richtige Lektion wäre eine Lockerung der Bestimmungen. Das wäre gut für Großbritannien – und könnte Leben retten.
Zum selben Thema meint die französische Libération: 58 Tote – der absolute Horror. Und ein eiskalter Hass gegen alle Organisatoren des Handels. Der Hass also. Und dann? Natürlich kann man auch die „Festung Europa“ anprangern, die sich schuldig gemacht hat, durch das Schließen ihrer Pforten die Risiken für die illegalen Einwanderer erhöht zu haben – die sonst fordern würden, in voller Sicherheit zu reisen. Man muss jedoch wissen, was das nach sich ziehen würde, vor allem im Falle Chinas, wo sich die Kandidaten für die Auswanderung zweifellos in Millionen zählen. Deng Xiaoping war sich darüber im Klaren, wenn er gewöhnlich seine westlichen Gesprächspartner bei einigen schüchternen Andeutungen auf Menschenrechtsverletzungen daran erinnerte: „Sind Sie bereit, 300 Millionen Chinesen aufzunehmen?“ Das Gespräch endete im Allgemeinen dort.
Der österreichische Kurier meint zu diesem Thema: Großbritannien zählt ohnehin zu den restriktivsten Staaten der Europäischen Union. Die Labour-Regierung hatte mit strengeren Gesetzen einen zweifelhaften Erfolg: Die Zahl der Asylwerber ist neuerdings stark rückläufig. Zugleich nimmt aber auch die Gefahr zu, dass „Illegale“ an den kaum noch durchlässigen Grenzen sterben. Londons Politik, so ist zu befürchten, wird nicht die unrühmliche Ausnahme bleiben, sondern für die Festung Europa beispielhaft sein. Aber selbst wenn man klare, gerechte, europaweite Regeln der Immigration finden würde, könnten Tragödien wie jene von Dover nicht verhindert werden.
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