die anderen:
Die Neue Zürcher Zeitung schreibt zum Rücktritt von CDU-Generalsekretär Polenz: Für die CDU, ganz besonders aber für deren Parteichefin Angela Merkel, hätte der Rücktritt des Generalsekretärs kaum unpassender kommen können. Die große Unionspartei ist noch immer in den Strudeln der Parteispendenaffäre gefangen, die keineswegs ausgestanden ist. Diese unglückselige Geschichte scheint die CDU nicht loslassen zu wollen. Immer mehr baut sich aber bereits auch das Gebirge der nächsten Bundestagswahlen vor den Christlichdemokraten auf, mit einem strahlenden Bundeskanzler Schröder auf dem Gipfel, der so fest im Sattel zu sitzen scheint, dass man sich fragt, wer von der Union ihn denn stürzen sollte. Harmonie und Kohärenz wären die ersten Voraussetzungen, um zur Rückeroberung des Kanzleramtes anzusetzen. Aber in den wichtigen Sachthemen prägt Zerstrittenheit das Bild der CDU.
Zum selben Thema schreibt die britische Zeitung The Times: Partei-Insider sagen, dass Frau Merkel in einen bitteren Machtkampf mit dem Fraktionsvorsitzenden Merz verwickelt ist, der sie bei der Kanzlerkandidatur 2002 herausfordern könnte. Für viele war Merkel eine Lückenbüßerin nach der Demütigung von Kohl und dem erzwungenen Rücktritt seines Nachfolgers Schäuble. Sie will Kanzlerin werden, doch gegen sie steht eine reaktionäre und überwiegend männliche Partei. Der ganze Tumult ist Wasser auf die Mühlen von Stoiber, dessen Unterstützung entscheidend ist, wenn die CDU irgendeine Chance haben will, die Regierung abzulösen. Stoiber träumt selbst von der Führung, aber er könnte auch in eine Allianz mit Merz eintreten.
Der österreichische Standard kommentiert ebenfalls die Lage der CDU: Polenz ist auch ein Bauernopfer. Sein Rücktritt soll von der innerparteilichen Debatte über Bundestags-Fraktionschef Merz ablenken. Mit seiner Forderung, Ausländerpolitik und Zuwanderung zu zentralen Wahlkampfthemen zu machen, hat Merz für innerparteilichen Streit gesorgt. Auch Merkel hat die Debatte darüber kritisiert, aber nicht Merz direkt. So will die Parteichefin in der Schwäche Stärke demonstrieren – indem sie einerseits Polenz zum Rückzug drängte und ungewöhnlich rasch einen Nachfolger präsentierte, andererseits damit auch Merz signalisiert: Du könntest der Nächste sein. Merz hat sich bisher nicht als starker Oppositionsführer im Bundestag präsentiert und versucht es deshalb mit markigen Sprüchen am rechten Rand. Merkel könnte bald zu einem neuen Befreiungsschlag gezwungen sein.
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