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die anderen

Pravo aus Prag meint zu Schröders EU-Reformvorschlägen: Mit seinen Vorstellungen hat der deutsche Bundeskanzler für erhebliche Aufregung gesorgt. Gerhard Schröder will aus einem Europa, das derzeit den verschiedenen Interessen einzelner Staaten unterliegt, einen homogenen Kontinent mit starker Regierung, mächtigem Parlament und später vielleicht einem einflussreichen Präsidenten formen. Dass die deutschen Vorstellungen in Großbritannien und Frankreich nicht auf Begeisterung stoßen, war absehbar. Aber auch in einem kleinen Land wie Tschechien, wo die Menschen wegen der geplanten Übergangszeiten für Arbeitskräfte mit der EU nicht zufrieden sind, fällt der Vorschlag des Kanzlers kaum auf fruchtbaren Boden.

Zum selben Thema kommentiert L’Alsace aus Mülhausen: Schröder geht mit seinem Vorstoß das Demokratie-defizit in der EU und das Problem der nationalen Souveränitäten an, indem er ein Parlament mit mehr Macht und zwei Kammern vorschlägt, in dem die Bürger und die Staaten vertreten sein sollten. Die Gegner derartiger Vorstellungen sollten eigene Gedanken entwickeln, statt den Stillstand zu kultivieren. Indem der deutsche Kanzler legislative und Exekutivrechte auf die Gemeinschaftsebene übertragen will, zeigt Schröder den Willen der „Berliner Republik“, ihr Schicksal mit dem der Gemeinschaft verbinden zu wollen. Das ist eine erfreuliche Tendenz angesichts oft geäußerter Befürchtungen, dass sich das vereinigte Deutschland vom Rest Europas loslösen könnte.

La Repubblica aus Rom schreibt: Die Franzosen rümpfen die Nase über Schröders Europaprojekt. Der Föderalismus gefällt nicht an den Ufern der Seine, aber Paris formuliert keine Alternative. Trotz der Wiederaufnahme des deutsch-französischen Dialogs liegen Paris und Berlin weit auseinander. Deutschland liefert weiter Anstöße, Ideen, Beiträge, während Frankreich nicht in der Lage ist, dem deutschen Bundeskanzler eine eigene Europavision entgegenzuhalten, sei sie nun alternativ oder ergänzend.

Die Neue Zürcher Zeitung moniert: Schröder hat den Zeitpunkt für seinen EU-Vorstoß mit Bedacht gewählt und sicher gestellt, dass das, was unter dem Titel „Verantwortung für Europa“ nun an die Öffentlichkeit gelangt ist, auch ein Maximum an Publizität erhält. Und was Deutschland betrifft, muss man konstatieren, dass die Reaktionen vorwiegend positiv ausgefallen sind. Das war wohl auch Schröders primäres Anliegen – sich wieder ins innenpolitische Rampenlicht zu stellen und die Opposition in Verlegenheit zu bringen.

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