die anderen:
Zur Aufgabe Kandahars durch die Taliban schreibt The Daily Telegraph aus London: Die Entscheidung der Taliban, ihre letzte Position aufzugeben, ist eine gewaltige Bestätigung des politischen Willens und der militärischen Kraft Amerikas. Innerhalb von drei Monaten haben die USA ein Regime am anderen Ende der Welt in die Knie gezwungen. Wie im Golfkrieg 1991 und bei dem Vorgehen der Nato in Serbien 1999 war das Hauptinstrument der Kriegführung die US-Luftwaffe. Sie hat innerhalb des vergangenen Jahrzehnts bewiesen, dass sie den Gegner mit minimalen Verlusten brechen kann. Die erneute Demonstration der amerikanischen Macht in Afghanistan sollte Saddam Hussein und Konsorten zittern lassen. Wenn die Aufräumarbeiten in Afghanistan abgeschlossen sind, ist Irak wahrscheinlich das nächste Ziel im Kampf gegen den Terrorismus.
Libération aus Paris kommentiert die Verhandlungen der Afghanen: Die Verhandlungen nach der Einigung von Bonn sind auf afghanische Weise geregelt worden, das heißt, nach einigen Kämpfen, langen Palavern, wenigen Toten und mit viel Verständnis der Sieger für die Besiegten. Die Stammesführer dachten wohl in dieser Nach-Taliban-Ära, es wäre besser, keine Einheitsfront zu bilden. Diese Sorge äußert sich in der Amnestie, die der neue Chef der Übergangsregierung, Hamid Karsai, den Taliban versprochen hat, ebenso wie die angebliche Genehmigung für Mullah Omar, in Würde weiterzuleben, wenn er den Terrorismus verurteilt. Dieser Stammespakt, der dem Gastgeber und Schutzherrn Ussama Bin Ladens und seinen kriminellen Brigaden einen schönen Deckmantel gibt, passt nicht in das Konzept Washingtons. Das klingt wie eine – bewusste oder unbewusste – Herausforderung der Macht der USA.
Kommersant aus Moskau meint: Auch wenn die Taliban kapitulieren, sind die Probleme der Friedensregelung in Afghanistan bei weitem nicht gelöst. Kaum wurde in Bonn eine Einigung über die Übergangsregierung erzielt, hat der einflussreiche Feldkommandeur Raschid Dostum sein Missfallen an der Regelung geäußert. Er bemängelt, dass die usbekische Minderheit lediglich einen wenn auch einflussreichen Sitz in der neuen Regierung erhält. „Für uns ist das erniedrigend“, meint General Dostum und kündigt einen Boykott der neuen Führung an. Und gleichzeitig entzieht er dem Übergangskabinett das Recht, über die unter seiner Kontrolle stehenden Gebiete zu verfügen – und ausgerechnet dort sind die reichen Erdöl- und Erdgasvorkommen Afghanistans.
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