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die anderen

Zur Lage im Nahen Osten schreibt die spanische Tageszeitung El País: Mit der Belagerung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat versperrt der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon alle Wege des Friedens. Aber er bricht auch das Sicherheitsversprechen, das er seinen Bürgern machte: Der palästinensische Selbstmord-Terrorismus ist nicht ausgelöscht, sondern er vermehrt sich. Der Verbleib von Außenminister Schimon Peres in Scharons Regierung macht zudem jede politische Alternative unmöglich. Die palästinensische Autonomiebehörde ist weit davon entfernt, ein demokratisches System zu sein. Aber Israel verspielt mit dem totalen Krieg, begleitet von einer Informationssperre, diesbezüglich jede Glaubwürdigkeit.

Auch die Times aus London kommentiert den Militäreinsatz Israels in den besetzten Gebieten: Die Nachrichten werden täglich düsterer. Der Konflikt ist mehr als ein tödliches Duell. Terrorismus und massive Vergeltung sind dabei, die gesellschaftlichen Strukturen Israels und der Palästinenser zu zerstören. Arabische Staaten, von Straßenunruhen bedroht, verwerfen Friedenspläne und sprechen von Krieg. Die weitere islamische Welt ist radikalisiert, die Sprache wird täglich militanter. Die Selbstmordattentäter und Synagogen-Brandstifter sind schon auf dem Weg in westliche Hauptstädte. Aber es gibt einen Weg zurück – denn die Alternative wäre zu schrecklich. Die Vereinigten Staaten müssen den Weg vorgeben, und die alten Männer des Nahen Ostens müssen folgen.

Zu Reaktionen in Europa merkt der Zürcher Tages-Anzeiger an: Frankreichs Staatsspitze hat diese Schandtaten unmissverständlich verurteilt. Der Vorwurf der Scheinheiligkeit bleibt ihr indes nicht erspart. Denn was jetzt geschieht, hat auch mit der misslungenen Integration vieler Muslime zu tun. Den Behörden ist seit langem bekannt, dass sich unter diesen Menschen, die irgendwo zwischen verschiedenen Loyalitäten schweben, ein gefährliches Konfliktpotenzial anhäuft. Aber man übertünchte die Malaise lediglich mit schönen Worten. Diese Erfahrung müsste eine Lehre sein für andere Staaten – etwa für die Schweiz, in der fremdenfeindliche Parteien wie die SVP nichts unterlassen, die Integration von Personen aus anderen Kulturkreisen zu behindern. Vernunft und demokratische Regeln verbieten aber nicht nur die Anwendung von Gewalt, sondern auch von falschen Gleichungen. Darum muss es möglich sein, die Politik des Staates Israel, und namentlich die seines Premiers, zu kritisieren. Wer gegen Scharon ist, ist noch lange kein Antisemit.

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