die anderen:
Mit dem Tarifkonflikt in der deutschen Metallindustrie befasst sich die russische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta: Wenn ein Land in Europa noch die Tugenden des Klassenkampfs bewahrt hat, dann ist es Deutschland. Der proletarische 1. Mai diente in diesem Jahr als Start für eine Streikwelle. Die Arbeitsniederlegungen lassen in Deutschland politische, wirtschaftliche und soziale Emotionen hochkommen. Der Bundesregierung passt der Klassenkampf im Vorfeld der Wahlen gar nicht ins Konzept. Die Streiks sind zusätzliches Futter für die Propaganda der Opposition. Doch die Anführer der IG Metall und der anderen Gewerkschaften stecken in einer Zwangslage. Sie sind Sozialdemokraten. Ein Regierungswechsel in Berlin käme ihnen überhaupt nicht gelegen.
Die Tageszeitung La République des Pyrénées schreibt über Parlamentswahl in Frankreich: Bei der Präsidentschaftswahl hatte die Linke die Kohabitation zwischen dem konservativen Präsidenten und dem sozialistischen Premierminister kritisiert. Nun weisen sie darauf hin, dass Präsident Jacques Chirac, der im ersten Durchgang ein äußerst bescheidenes Ergebnis erzielte, im zweiten Durchgang nur deshalb einen haushohen Sieg errang, weil er dem Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen gegenüberstand. Chirac kann sich also nicht auf die Präsidentschaftswahl berufen, um ein Programm umzusetzen, für das er knapp 19 Prozent der Stimmen erhielt. Bei einem Sieg in der Parlamentswahl würde Chirac so viel Macht erhalten wie noch kein Präsident zuvor, weil Senat, Nationalversammlung, Verfassungsrat, Medienaufsicht und die Mehrzahl der Departements in den Händen der Rechten wären.
Bundeskanzler Schröder warnte vor der Renationalisierung in Europa. Dazu meint die niederländische sozialdemokratisch orientierte Zeitung Volkskrant: Nach dem Vorbild von Bill Clinton nutzt der moderne Politiker endlose Umfragen und Zielgruppen, um festzustellen, was er herausfinden muss. Das erweckt zwar demokratischen Anschein, bringt letztlich aber die Politik in Misskredit. Ein wirklicher Führungspolitiker bringt den Mut auf, das politische Denken des Bürgers in konkrete Bahnen zu lenken. Dazu muss er eine klare Sprache sprechen und darf unangenehme Wahrheiten nicht vermeiden. Schröder schimpft auf Brüssel und behauptet, damit der extremen Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen. In Wirklichkeit bestätigt er den Wähler nur in dessen Vorurteil und trägt so zu der von ihm befürchteten Renationalisierung bei.
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