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Archiv-Artikel

deutschland trainiert für olympia (2) Großdüsseldorf ist siegessicher

Verbände geben Hoffnung

Nach kurzer, schwerer Depression ist Düsseldorf wieder optimistisch. Auf die Veröffentlichung des Evaluierungsberichts über die fünf deutschen Bewerberstädte für die Olympischen Sommerspiele 2012 hatte der Kandidat Mitte März wie gelähmt reagiert. Zu mies waren die Noten des NOK ausgefallen: Mangelhafte Infrastruktur, ökologische Probleme sowie Widerstand in der Bevölkerung – die Bindestrich-Bewerbung Düsseldorf/Rhein-Ruhr landete nur auf Platz vier, abgeschlagen hinter Hamburg, Leipzig und Frankfurt. Doch nach kurzer Schockstarre fing man sich wieder. „Das war der Vorlauf, den Endlauf gewinnen wir“, sagte Michael Vesper, grüner Sportminister von Nordrhein-Westfalen. Der Entscheidung am 12. April blicke man „sehr optimistisch“ entgegen, so Vesper. Großdüsseldorf sieht sich bei der Abstimmung in München als Sieger – die zahlreich in NRW beheimateten Sportverbände sollen die Mehrheit sichern. „Wir haben das Beste, was es gibt“, sagte auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin nach der olympischen Zeugnisvergabe. Trotzig ordnete der CDU-Politiker gemeinsam mit Vesper eine Großdemonstration an. Zehn Tage vor der NOK-Abstimmung müssen alle Schüler des bevölkerungsreichsten Bundeslandes für Olympia an Rhein und Ruhr auf die Straße gehen. Zwei Millionen aktive Sportler, 8.500 Sportvereine – die selbst ernannte „deutsche Metropole des Sports“ wirbt mit einer Mischung aus Größenwahn und Geizgeilheit.

„Wir bieten Sommerspiele der ökonomischen Vernunft an“, sagt NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Nur 2,2 Milliarden Euro soll das Ereignis zwischen Aachen und Dortmund kosten, da die meisten Sportstätten (Foto: AP) bereits vorhanden sind. Dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) für vieles bekannt ist, nicht aber für Bescheidenheit und Kostenbewusstsein, ignorieren die Macher hingegen.

Olympische Spiele sind ein alter Traum der nordrhein-westfälischen (Sport-)Politik. Bereits 1990 wollte sich das Ruhrgebiet bewerben, zog seine Kandidatur aber zugunsten der vereinten Hauptstadt zurück. Ein Jahrzehnt nach dem Scheitern Berlins beschloss die NRW-Regierung einen erneuten Anlauf. Da das IOC nur Städte, nicht aber Regionen als Olympiakandidaten akzeptiert, mussten sich die Nachbarn im Revier auf einen Fahnenträger einigen. Nach monatelangem Streit verkündete Sportminister Vesper 2001 mit Düsseldorf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Leidenschaftslos ließen sich alle Großstädte der Region in die Kandidatur der Landeshauptstadt einbinden.

Unter dem Motto „So bunt wie die Welt“ wirbt Düsseldorf/Rhein-Ruhr seit nun zwei Jahren mit dem Pathos einer Metropolenregion. In der Realität aber erweist sich Oberbürgermeister Erwin als beschränkter Lokalpolitiker. Auf die Niederlage Düsseldorfs bei der Vergabe der Austragungsorte für die Fußball-WM 2006 reagierte Erwin mit kruden Verschwörungstheorien und Schimpftiraden gegen den DFB. Während seine Stadt 2012 die Jugend der Welt beherbergen will, versuchte der Rathauschef im Frühjahr vergangenen Jahres, eine Gruppe Sinti und Roma aus Düsseldorf wegzumobben. Demonstrationen der Flüchtlinge aus Exjugoslawien wurden vom OB gesprengt, die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Erwin wegen schwerer Nötigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Um die Konkurrenten auszustechen, wurden aus dem Umfeld der Düsseldorfer Olympia GmbH peinliche Gefälligkeitsgutachten lanciert.

73 Prozent der Menschen an Rhein und Ruhr wollen die Spiele – das ist die geringste Zustimmung unter den fünf deutschen Bewerberstädten. Massiven Widerstand erregten die Planungen für das olympische Dorf in den Düsseldorfer Rheinauen. Landwirte und Anwohner protestierten vor dem Frankfurter NOK-Gebäude gegen die Trabantenstadt in der Flusslandschaft. „Als die massiven Proteste nicht zu übersehen waren, versuchte Erwin sie klein zu reden, und Vesper bot uns ein Stillhalteabkommen an“, sagt Ursel Fuchs, Sprecherin des Aktionsbündnisses „Hände weg von den Rheinauen“. Doch die Initiative ließ sich nicht vereinnahmen und startete ein Bürgerbegehren gegen die Olympiabewerbung. „Tausende haben schon unterschrieben“, sagt Fuchs. Der NOK-Bericht spricht besorgt von „einer größeren Opposition“ und strafte Düsseldorfs Pläne fürs Athletendorf genauso ab wie das unausgegorene Verkehrskonzept.

Trotzdem ist Düsseldorf am 12. April nicht chancenlos, da die Bewerbung in einigen Kategorien wie Kulturprogramm und Erfahrung mit Großveranstaltungen vorne liegt. Hoffnungen ruhen auch auf einem Strippenzieher, der schon bei der Wahl von NOK-Präsident Klaus Steinbach mitmischte: Ulrich Feldhoff, Chef des Deutschen Kanuverbandes und Multifunktionär des deutschen Sports, soll in München die Mehrheit organisieren. Der Oberhausener hat großen Einfluss bei den 32 Sportfachverbänden, die bei der Abstimmung über eine absolute Mehrheit verfügen. Viele Dachorganisationen haben zudem ihren Hauptsitz in NRW. „Bei uns ist der Sport zu Hause“, sagen die Düsseldorfer siegesgewiss. Die Rhein-Ruhr-Präsentationsrede vor der NOK-Versammlung wird Heide Ecker-Rosendahl halten. „Gold-Heidi“ hat in München ja schon einmal ein scheinbar aussichtsloses Rennen gewonnen. MARTIN TEIGELER