deutsche seuche bse: Alte Warnungen, neue Ausreden
Wer Einkaufen geht für Paprikaschoten gefüllt mit Rinderhack, steht im Supermarkt hin und wieder vor einem Paradox: Zuweilen kostet der Paprika mehr als das Hack. Dabei müssen doch Rinder ein Vielfaches des Gewichts an Pflanzen fressen, das sie hinterher an Fleisch liefern.
Kommentarvon MATTHIAS URBACH
In Deutschland ist man gewohnt, das Fleisch auf dem Teller als das Eigentliche zu sehen. Das Gemüse ist nur die Beilage. Und um das Eigentliche zu liefern, hat sich unsere Agrarindustrie ins Zeug gelegt. Tiere werden in engsten Käfigen zusammengepfercht, müssen ihresgleichen, vermengt mit Laborratten, als Tiermehl zu sich nehmen. Sie werden mit Antibiotika vollgestopft. Zeitlebens – was nicht lang ist – sind sie lebensuntüchtige Krüppel, die kein anderes Licht sehen als Neonröhren im Turbostall.
Das ist alles bekannt. Und wird doch immer wieder verdrängt. Nur zu gern wird ausgerechnet einem Agrarminister geglaubt, wenn der beteuert, die Produkte seiner Lobby seien sicher. Manche Minister bringen es nach ihrer Amtszeit gar zum Werbeträger. Wie alle vor ihm beteuert auch Minister Funke, BSE sei das Problem der anderen. Zunächst der anderen Staaten. Nun, da das nicht mehr geht, das Problem der anderen Bauern und Metzger. Eben alle diejenigen, die nicht zum „Metzger unseres Vertrauens“ gehören, den Funke derzeit beschwört. Dass es keine Sicherheit gibt, ginge einem Agrarminister – und eben auch Funke – niemals über die Lippen. Er hätte es sich mit den Bauern für immer verscherzt.
Das Thema BSE hatten wir schon einige Male auf dem Tisch. Vor vier Jahren waren bereits sechs Fälle entdeckt worden. Ein Rind aus der Schweiz, fünf aus Großbritannien importiert. So ließ sich das Problem vom damaligen Agrarminister verbal wieder ins Ausland exportieren. Schon damals gab es zahlreiche Stimmen, die warnten, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt.
Angesicht dieser Vorgeschichte mutet die plötzliche Panik etwas hysterisch an, sind doch bisher erst zwei deutsche BSE-Rinder entdeckt worden – weniger als in Großbritannien an einem Tag. Stünde die öffentlich geäußerte Sorge nur halbwegs in einem angemessenen Verhältnis zum Kaufverhalten, müssten die Kühlregale voll mit (teurem) Biofleisch sein.
In den Regalen liegt aber billiges Fleisch. Und weil es so schön billig ist, macht der Verbraucher nichts so gern, wie den Beteuerungen seines Agrarministers früher oder später wieder zu glauben.
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