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der rote fadenOuvertüre zum endgültigen Zerfall Großbritanniens

Durch die Woche mit Nina Apin

Manche haben das mit den Neujahrsvorsätzen ja arg wörtlich genommen: Nach den Nachrichten der letzten Tage kann man sich vorstellen, wie Prinz Harry und seine Angetraute Meghan Markle zum Ende des bestimmt nicht einfachen Jahres 2019 in ihrem Refugium auf Vancouver Island saßen und beschlossen: Es muss alles anders werden.

Megxit

Raus aus der Repräsentationshölle, die ein Leben für die britische Monarchie bedeutet; raus aus den Klatschspalten mit ihrer ganzen rassistischen Niederträchtigkeit, raus aus der in Konventionen erstarrten Windsor-Königsfamilie, die sie despektierlich Firma nannten: Der „Megxit“ war beschlossene Sache und wurde diese Woche, zeitgemäß, per Twitter und Instagram der Öffentlichkeit verkündet. Die Queen, die vorab nicht im Bild war, ließ wissen, sie sei „tief enttäuscht“, das Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds hat die Figuren der royalen Aussteiger schon mal gleich ins Abseits gerückt. Interessanterweise ist der durch seine Freundschaft mit dem Zwangsprostituiertenring-Betreiber Jeffrey Epstein diskreditierte Lieblingssohn der Queen noch Teil der trauten Familiengruppe.

Wie auch immer: Man kann die ganze Sache als Befreiungsschlag zweier Menschen verstehen, die nicht bereit sind, ihre besten Jahre an eine veraltete Monarchie zu verschwenden, die politisch nichts zu sagen hat, ihre Mitglieder aber dennoch einem beinharten Comment und der allumfassenden Kontrolle der Klatschpublikationen unterwirft. Man kann ihre von Individualinteressen getriebene Unabhängigkeitserklärung auch als Ouvertüre deuten für den endgültigen Zerfall des Staatsgebildes Großbritannien: Wenn noch nicht einmal die Königsfamilie geschlossen zu diesem Staat steht, der demnächst einen Sonderweg weg von der Europäischen Union beschreitet, dann dauert es wohl nicht lang, bis sich auch Schottland absetzen wird. Und Wales. Allerdings dies dann nicht per Twitter, sondern ganz klassisch per Referendum.

Repräsentationshölle

Einen Sonderweg gehen wollen schon länger auch die Katalan:innen. Doch sie dürfen nicht: Die Politiker:innen, die 2017 ein Referendum für die Unabhängigkeit abhalten wollten, wurden wegen „Aufruhr“ eingesperrt, Katalonien steht seitdem unter spanischer Zwangsverwaltung. Trotz Inhaftierung kandidierten Politiker wie Oriol Junqueras fürs Europaparlament. Der Europäische Gerichtshof befand zuletzt, dass der Mann Immunität genießt und deshalb seinen Sitz im Europaparlament einnehmen darf. Doch am Donnerstag entschied Spaniens Oberstes Gericht: Nada – Junqueras muss zu Hause bleiben, und sein Chef, der katalanische Ex-Regierungschef (oder Separatistenführer, wie es Spaniens Zentralregierung sieht) Carles Puigdemont muss weiter in Belgien ausharren. Allerdings haben die ungeliebten katalanischen Separatisten Ministerpräsident Sánchez gerade erst zu einer neuen Amtszeit verholfen. Irgendwelche Zugeständnisse wird er ihnen schon machen müssen. Die Fliehkräfte werden sich auch auf der Iberischen Halbinsel nicht mehr allzu lang aufhalten lassen.

Fliehkräfte

Zurück zu den Neujahrsvorsätzen: Ist Siemens-Chef Joe Kaeser am Neujahrsmorgen aufgewacht, hat aus seinem bodentiefen Fenster in den feinstaubgeschwängerten Himmel geblickt und auf seinem Smartphone die Bilder von den verheerenden Buschbränden in Australien gesehen und dazu die O-Töne gehört vom australischen Premier, der jeglichen Zusammenhang mit seiner kohlefreundlichen Anti-Umwelt-Politik leugnet – und gedacht: Lass uns mal lieber nicht dieses Kohleabbauprojekt da unten mit 20 Millionen unterstützen. Und dann treffe ich mich mit dieser cleveren Luisa Neubauer von Fridays for Future, um mit ihr über weitere gute Dinge zu sprechen, die Siemens in 2020 für den Klimaschutz beitragen könnte.

Greenwashing

Glauben Sie nicht, dass es so war? Ich auch nicht. Wohl eher dürfte es sich um einen klassischen Fall von Greenwashing handeln. 20 Millio­nen weniger jucken einen Riesen wie Siemens wenig; die PR, die von einem Handshake mit einer jungen Klimaschützerin generiert wird, ist hingegen unbezahlbar.

Andererseits habe ich mir vorgenommen, im neuen Jahr nicht immer alles gleich so schwarz-weiß zu sehen: Auch ein börsennotierter Technologiekonzern kann sympathische Ideen haben: In Berlin investiert Siemens in den nächsten Jahren 600 Millionen Euro in einen Innovationscampus, auf dem gewohnt, gelehrt, geforscht und gearbeitet werden soll. Die „Siemensstadt 2.0“, ein 70 Hektar großes neues Stadtviertel, soll komplett Co2-neutral und weitgehend autofrei sein und wird mit einer neuen Bahnstrecke an die Berliner Innenstadt angebunden. Auch das eine Art Unabhängigkeitserklärung von der lahmen deutschen Verkehrspolitik. Und dann noch in Berlin! Es wird nicht alles schlecht in 2020.

Nächste Woche Johanna Roth

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