demo spielen: Autos kreuzen Kreuzberg
Gedrängel im Wrangelkiez
Der Frisbee fliegt über die Straße. Ein Junge fängt ihn, hält ihn kurz fest, um ein Auto vorbeizulassen, wirft ihn zurück. Ein Drehorgelspieler gesellt sich dazu: „Der Wrangelkiez gehört den Kindern. So war’s – so wird es sein.“ Jeden Dienstag treffen sich die Anwohner der Cuvrystraße zum „Protestspielen“. Denn offiziell ist die „Cuvry“ eine Spielstraße, in der nur Schritttempo erlaubt ist. „Die meisten fahren hier aber mit 80 durch“, beschwert sich Anwohnerin Claudia Wegner.
Beschwert hatten sich auch die Anwohner der Parallelstraße Görlitzer Ufer. Nach deren jahrelangen Protesten hatte Bezirksbaustadtrat Franz Schulz (Grüne) diese Straße geschlossen. Nun nehmen stündlich rund 210 Autos einen kleinen Umweg – durch die Cuvrystraße. „Spielen ist da nicht mehr möglich“, sagt Wegner. Schon vor mehreren Wochen wurde Schulz eine Unterschriftensammlung überreicht. Er versprach zwar „Abhilfe“, doch den Anwohnern dauert es zu lange. „In der Cuvrystraße sind insgesamt 1.000 Kinder und Jugendliche in Kitas und Ausbildungsstätten untergebracht“, erklärt Anwohner Hartmut Böhl. Die müssten auch jetzt die Straße überqueren.
Einige der Anwohner engagieren sich in der Arbeitsgruppe „Quartiersmanagement Wrangelkiez“ und überdenken dort Lösungsvorschläge. Sie fordern, dass der „Durchgangsverkehr zwischen Treptow und Neukölln aus dem Wrangelkiez rausgehalten“ wird. Auch die Cuvrystraße solle daher für Autos gesperrt oder eine Verkehrsführung eingerichtet werden, die die Durchfahrt für Autos unattraktiv macht, meinen die einen. „Die Autofahrer sollen die Skalitzer benutzen“, sagte ein anderer. Böhl fordert gar die Wiederöffnung des Görlitzer Ufers zur „gerechten Verteilung“ des Verkehrs. „Zu Hauptverkehrszeiten ist die Cuvrystraße dicht“, erklärt ein Nachbar. „Dann kommt es nicht selten vor, dass Motorradfahrer auf dem Bürgersteig am Stau vorbeifahren. Der ist dann auch nicht mehr sicher.“
Der Baustadtrat verspricht nun Einbahnstraßen für den Kiez und eine Ampelanlage mit kurzen Grünphasen: „Wenn man stundenlang warten muss, vergeht die Lust, die Strecke als Abkürzung zu nehmen“, hofft Schulz. Vor dem nächsten Jahr wird sich allerdings kaum etwas tun.
JOHANNA TREBLIN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen