demo in der bundesliga: Gibt es Fußball bald ohne Fans?
Die Bilder waren beeindruckend. Überall haben am Wochenende Fußballfans demonstriert; friedlich, gemeinschaftlich, clever organisiert, in der Ersten und Zweiten Bundesliga. In allen Stadien hielten sie zigtausendfach „15:30“-Schilder hoch: Samstags um halb vier sei Fußballzeit. Der größte Fanprotest in der deutschen Fußballgeschichte richtete sich gegen die Zerstückelung der Spieltage in fernsehgerechte Häppchen an vier Wochentagen zu acht Anstoßzeiten. Weg mit den nervenden Sonntagsspielen! Weg mit den noch schlimmeren Montagsspielen in der Zweiten Liga!
Kommentarvon BERND MÜLLENDER
Ja, die Fernsehbilder waren beeindruckend. Das ist die schlichte Ironie: In der Medienwelt braucht Aufruhr gegen das Fernsehen das Fernsehen selbst. Natürlich berichteten ARD und ZDF, die Konkurrenten von Medienmogul Leo Kirch, der die Übertragungsrechte besitzt, ausführlich und genüsslich. Und „ran“ (Sat.1, also Kirch) tat den Empörten auch keinesfalls den Gefallen, ihr Anliegen zu verschweigen.
Aber hat der Protest etwas gebracht? Nichts ist so billig wie der bigotte Verständnisschleim, den die Fans überall ernteten – ob bei den Fernsehsendern oder den Profiteuren in den Vereinen oder dem Deutschen Fußballverband. Die Fans müssten schon massenhaft ihre Premiere-Decoder zurückgeben (aber die hat ja kaum einer gekauft). Oder streiken und nicht mehr ins Stadion gehen. Aber Junkies, die die Nadel dankend ablehnen, um bitte regelmäßig besseren Stoff zu bekommen? Darüber können die Dealer nur lächeln.
Wenn dem Ansinnen der Fans stattgegeben würde, gäbe es weniger Übertragungen, also weniger Werbezeit, also einen drastischen Wertverlust der Ware Fußball. Dann fehlte der Liga das Geld, also die Wettbewerbsfähigkeit, also Klasse, also das Interesse, also die Zuschauer. Also bald alles.
Oder die Zuschauer werden komplett abgeschafft. Längst lässt sich Kulisse virtuell erzeugen, ob im Stadion oder fürs Event in der Glotze. Warum so etwas Unberechenbares wie eine lebendige Kulisse, die manchmal auch noch motzt, schlechte Stimmung macht und mit feinem Gespür die metastasenartigen Schwadroneure und Trittbrettfahrer in den Clubs rausbrüllen will?
Samstags gehört Vati der Familie – aber der Fußball gehört ihm schon lange nicht mehr. Vati hat am Wochenende immerhin überzeugend demonstriert, dass er es weiß.
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