piwik no script img

daumenkinoFinger am Abzug

„Spy Game“

Als Filmemacher kann man von den Ego-Shootern an den Joysticks so einiges lernen. Wie man, allen physikalischen Gesetzen zum Trotz, den Helikopter durch scheunentor-breite Schluchten lenkt und dabei den Maschinengewehrsalven ausweicht etwa. Oder, etwas allgemeiner: wie man eine zweistündige Ballerorgie vor der Playstation interessant finden kann, ohne auch nur einmal nach Sinn und Zweck des ganzen Treibens zu fragen. Regisseur Tony Scott muss man nicht unterstellen, dass er sich jemals mit Sinnfragen beschäftigt hätte, doch nun kann man ihm bescheinigen, das Spielekonsolen-Format fürs Kino um die Glaubwürdigkeit eines integren Helden bereichert zu haben. Und Robert Redford darf als angegrauter Topspion einmal mehr das gute Gewissen Amerikas auf seine Schultern packen, wenn er als Agent Nathan Muir an seinem letzten Arbeitstag gehörig in Fahrt kommt, als er hört, dass sein einstiger Schüler Tom Bishop (Brad Pitt) in China seiner Hinrichtung entgegensieht.

Einige werden sich da an das Gespann Paul Newman und Robert Redford aus dem Film „Butch Cassidy und Sundance Kid“ erinnert fühlen, mit dem Unterschied, dass nun Redford die Rolle des vom Leben Gezeichneten übernimmt, während Brad Pitt den jungen impulsiven Tom Bishop verkörpert. Regisseur Scott zeigt den privaten Grabenkrieg zwischen dem Ausbilder Muir und seinem Pennäler Bishop anfangs als Schule des harten Drills, später als subtile Vater-Sohn-Beziehung, und wenn der raffiniert gebaute Spionagethriller durch die aufgesetzte Videoclip-Ästhetik hindurch immer wieder auf diese Männerfreundschaft stößt, macht das dann tatsächlich eine Qualität des Martial-Arts-Streifens aus.

Denn sonst inszeniert Scott sein Personal um Kopf und Kragen. In atemberaubenden Kamerafahrten geht’s von den Folterkellern aus dem Reich der Mitte direkt hinauf in die verwanzten Teakholzbüros des amerikanischen Geheimdienstes. Scotts Bildersprache wirkt, als hätten ihm chinesische Folterknechte während der Arbeit selbst den Pistolenlauf an die Schläfe gesetzt. Dass in diesem visuellen Dauerbeschuss aus subjektiver Kamera, Parallelmontagen und wummerndem Discobeat so mancher Plot auch noch nach über zwei Stunden seine Sprengkraft entfaltet, verdankt der Streifen dann aber weniger den talentierten Pyrotechnikern als der Präsenz seiner Hauptfigur.

THOMAS HERGET

„Spy game – Der finale Countdown“, Regie: Tony Scott. Mit Robert Redford, Brad Pitt, Catherine McCormack, USA 2001, 126 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen