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daumenkinoDie Straße nach Osten

„Blue Moon“

Josef Haders Spezialgebiet ist der Unsympath. Niemand kann den kleinmütigen, gemeinen Spießer mit seinen manchmal Ekel erregenden Angewohnheiten so abgründig geben wie er. In „Indien“, jener österreichischen Filmlegende, treffen zwei Unsympathen aufeinander, wachsen sich gegenseitig ans Herz und versetzen den Zuschauer damit in die seltsame Lage, für die beiden so etwas wie Sympathie empfinden zu müssen.

Noch im „Überfall“ spielte Hader einen feigen Nörgler, der zu größerer Fiesheit imstande ist, als seine beklagte Gebrechlichkeit vermuten ließ. Als Exkommissar Brenner in der Wolf-Haas-Verfilmung „Komm süßer Tod“ schließlich war er in der verschwitzten Männergemeinschaft der Rettungsfahrer die sympathischste Figur gerade aufgrund seiner sturen Übellaunigkeit. Auf die Frage „Wie geh ma vor?“ antwortete er: „Vorgehn is scho’ folsch“, und es waren sein prinzipielles Desinteresse an anderen und der von keiner Melancholie verschönte Lebensüberdruss, die ihm die Einblicke verschafften, die den Krimi voranbrachten. Über dieses Rollenrepertoire ist der Kabarettist Hader zu einem echten Widerstandshelden geworden – dem Terror der Freundlichkeit und guten Laune setzt er eine missgestimmte Trägheit entgegen, in der Adornitisches aufscheint: Bloß kein wahres Leben im Falschen!

Eher schlecht drauf ist Hader auch in der Rolle des Johnny Pichler in Andrea Maria Dusls „Blue Moon“. Erschöpft kommt der Geldbote zu spät zum vereinbarten Treffen. Der Mafioso ist nervös und zwingt ihn, zu sich einzusteigen. Da versetzt ihm die schöne Blondine einen Schlag, schmeißt ihn aus dem Auto und fährt mit Pichler davon. Was folgt, wird in der einschlägigen Literatur gerne als „Straßenfilm“ bezeichnet. Gen Osten geht die Fahrt, weil’s Fiktion ist, visafrei. Irgendwo dort trifft Haders Pichler auf Detlev Buck, der unwahrscheinlicherweise einen Ostler mimen soll, dafür aber recht glaubhaft über die Ehrlichkeit von Getränken reden kann. In der Slowakei lässt die schöne Blonde den schlecht gelaunten Johnny sitzen, doch den packt der Ehrgeiz oder die Liebe, auf jeden Fall eine Art ungewohnte Lebensmotivation, und er reist ihr nach – nach Lwiw, Kiew und schließlich Odessa. (Ja, die Treppe ist auch zu sehen!) „Blue Moon“ ist ein kleiner, köstlicher Film, der in angenehmer Deprimiertheit über jede Fröhlichkeitsanforderung hinwegzutrösten weiß.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„Blue Moon“. Buch und Regie: Andrea Maria Dusl. Mit Josef Hader, Viktoria Malektorovych, Detlev Buck u. a. Österreich 2002, 90 Min.

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