das wird: „Wir machen Oper mit Bezug zur Popkultur“
Michael Maierhofs neue „home opera“ knüpft an den Kultfilm „Diva“ an
Interview Katrin Ullmann
taz: Herr Maierhof, was kann man sich unter dem Genre „home opera“ vorstellen?
Michael Maierhof:Unsere Reihe „home opera“ findet meist in kleinen privaten oder halbprivaten Räumen statt: Ein*e Sänger*in, 4-Kanal-Sound, das im Raum Vorhandene wird als Bühnenbild benutzt. Alles ist eher unaufwendig und damit auch nachhaltig. Die maximal 35 Zuschauer*innen sind ganz nah am Sound, am Sänger, in der Szene. Grundlage unserer „home operas“ sind immer Szenen aus Filmen sehr unterschiedlicher Genres. Vom Sandalen- bis Gangsterfilm ist alles möglich. Und die Filmszenen selbst werden auf unterschiedliche Weise gespalten und dadurch musikalisiert.
taz: Worum geht es heute in der fünften Ausgabe?
Maierhof:Den inhaltlichen, narrativen Rahmen bilden neu arrangierte Szenen aus „Diva“, dem Kultfilm von 1981, dem Regiedebüt von Jean-Jacques Beineix. Es ist eigentlich ein Krimi mit einer charismatischen, Schwarzen Operndiva, die ihren Gesang nicht aufnehmen lassen will. Aber der illegale Mitschnitt eines Auftritts ihres heimlichen Verehrers Jules treibt die Handlung voran. Wunderschöne Aufnahmen von analogen Abspielgeräten im Film bilden für uns den Einstieg in die Bilderwelt. Unsere „Diva“ ist also eine elektronische Oper über analoge Tonträger.
taz: Es werden die „Möglichkeiten der gespaltenen Stimme (Sopran/Bariton) und damit der gesellschaftliche Zustand des Subjekts im zeitgenössischen Musiktheater erforscht“, heißt es in der Vorankündigung – das heißt konkret?
Oper „Diva – home opera #5“: Premiere heute, 20 Uhr, Quarterpipe, Versmannstraße 66, Hamburg; Fr, 19. 9., und Sa, 20. 9., 19.30 und 21 Uhr; Reservierungen über homeopera@mail.de
Maierhof:Na ja, wir erleben uns heute ja nicht mehr als homogene, einheitliche Subjekte, sondern aufgespalten in viele unterschiedliche Funktionen, Personenanteile, zum Teil auch widersprüchliche, die wir trotzdem alle zusammenhalten können oder müssen. Das sollte sich auch in der Behandlung der Gesangsstimme widerspiegeln und im besten Falle durch den Gesang für die Zuhörer*innen erfahrbar werden. Noise-Gesang steht ja für die Breite, Rauheit, Energie.
taz: Wie funktioniert das in „Diva“?
Maierhof: Der Bariton und Countertenor Daniel Gloger produziert mit seiner Stimme und unterschiedlichen Mikrofonen eine Welt von noisigen Klangkomplexen, und andererseits singt er klare Tonhöhen in ein aufgespaltenes Feld seiner eigenen Stimme im 4-Kanal-Raum, die Reinheit sowie die Einheit der Stimme wird gebrochen. Umgeben von Klang und Klangfetzen des Sängers sitzen die Zuhörer*innen mittendrin, mitten in dieser zerbrochenen, aber durchaus kraftvollen Stimme.
taz: Allein der Begriff „Oper“ schreckt viele ab – warum sollte man (dennoch) kommen?
Maierhof:Oper ist ja eigentlich die Auseinandersetzung mit Stimme in einem szenischen und narrativen Zusammenhang. Oper schreckt viele ab, weil die sehr stilisierte, vergrößerte Opernstimme als unzeitgemäß empfunden wird, und dem würde ich auch zustimmen. Diese klassische Art zu singen weist eher in die Vergangenheit, als Bild eines vergangenen, ungebrochenen, „aufgeblähten“ Subjektkerns. Ich versuche eine andere Art des Gesangs zu entwickeln, eine, die Leute heute abholt, ohne dass Text gesungen wird. Und wir machen Oper mit Bezug zur Popkultur über einen Film, den viele kennen, beziehungsweise der schnell einen thematischen Zugang ermöglicht.
taz: Die Aufführung findet in der „Quarterpipe“ in der Hafencity statt – wird dabei geskatet?
Maierhof:Ob Wohnzimmer, Küche, Gewerberaum, Half- oder Quarterpipe. Für unsere Reihe suchen wir Räume, die gerade nicht neutral sind wie das Opernhaus oder die Blackbox, sondern ihre Eigenheiten mitbringen. Wir versuchen immer an heutige Alltagskultur anzudocken. Und das 80erJahre-Thema passt gut in den neuen Veranstaltungsraum Quarterpipe in der Hafencity Ost. Das Skaten überlassen wir dann doch lieber anderen.
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