das wird: „Die Besuchenden werden Teil eines Experiments“
Tatjana Dübbel hat in Göttingen eine Ausstellung kuratiert darüber, wie sich die Welt auf scheinbar magische Weise selbst organisiert
Interview Wilfried Hippen
taz: Frau Dübbel, Sie haben diese interaktive Sonderausstellung zu wissenschaftlichen Themen wie Wolkenphysik kuratiert. Aber was ist daran magisch?
TatjanaDübbel:Das Magische besteht darin, dass sich ohne gezielte äußere Einwirkung nur aufgrund der physikalischen Gesetzmäßigkeiten einzelne Teilchen zu größeren Formen entwickeln. Und das ist in vielen Bereichen immer noch nicht gänzlich zu erklären. Ein schönes Beispiel dafür ist die Wolkenbildung. Es wird zwar in Kinderbüchern erklärt, dass da verdunstetes Wasser in der Luft aufsteigt und es in Wolken wieder abregnet. Aber dabei gibt es vieles, für das es immer noch keine Antwort gibt. Warum hören Wolken zum Beispiel irgendwann auf zu wachsen? Und wie verbinden sich die kleinen Wasserpartikel miteinander, damit eine Wolke entstehen kann?
taz: Gibt es diese Prozesse nicht sowohl im ganz Großen wie auch im ganz Kleinen?
Dübbel: Genau, die Skalen Makro, Mikro und dazwischen Meso durchziehen die ganz Ausstellung. Wobei man aber auch sagen muss, dass die drei in der Forschung immer zusammenkommen. Aus den Wasserpartikeln werden Wolken und aus den Zellen formen sich lebendige Körper. Das sind fließende Übergänge.
taz: Strömungen spielen bei der Ausstellung ja auch eine große Rolle.
Die Ausstellung „Magisch! – wie sich unsere Welt selbst organisiert“ wird heute um 18:30 Uhr im Wissensmuseum der Universität Göttingen eröffnet
Dübbel: Der Anlass der Ausstellung ist das 100jährige Jubiläum des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation, das damals als das Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung eingerichtet wurde. Bei ihren frühen Experimenten in den 1920er-Jahren haben die Forscher versucht, sichtbar zu machen, wie Wasser fließt. Und sie haben den ersten geschlossenen Windkanal gebaut.
taz: Sie sprechen von einer interaktiven Ausstellung. Geht es also darum, dass man etwas macht, um es zu verstehen?
Dübbel: Genau! Es gibt das Modell eines Windparks, bei dem die Besuchenden kleine Windanlagen verschieben und einstellen können, um so herauszufinden, wie mit ihnen am meisten Strom erzeugt wird. Und bei einer 3D-Simulation zum Wachstum von Tumorzellen kann man mit Reglern verschiedene Parameter für die Zellen ändern. Wenn man mehr Nahrung hinzufügt, bilden sich ganz andere Muster und Verhaltensformen.
taz: Die Bewegungen der Besucher*innen in der Ausstellung werden mit einer Wärmebildkamera aufgenommen und analysiert. Ist das nicht interaktiv auf einer ganz anderen Ebene?
Dübbel: Da werden die Besuchenden selber Teil des Ausstellungsthemas, denn sie sind ja selber auch Teilchen, bei denen wir untersuchen können, wie sie sich verhalten. Menschen bewegen sich unterschiedlich in einem Raum – je nachdem wie viele sich in ihm aufhalten. Es ist ein laufendes Experiment das über die sechs Monate der Ausstellung läuft und die Besuchenden können die Daten und Zwischenergebnisse sehen.
taz: Die Ausstellung ist ja auch für Kinder konzipiert. Und bei der Zusammenstellung hat Ihnen ein Kinderbeirat geholfen. Was war das für eine Erfahrung?
Dübbel: Es gab Diskussionen darüber, für welche Altersgruppen die Ausstellung überhaupt geeignet ist, denn es werden ja ziemlich komplexe Themen behandelt. Und als wir mit einer fünften Schulklasse zusammenarbeiteten haben wir gemerkt, dass sie schon Zehnjährige interessieren kann. Die Kinder haben sogar Experimente für die Ausstellung entwickelt. So haben sie selber ein Computerspiel mit dem Titel „Raus aus dem Klassenzimmer“ programmiert. Da geht es darum, welche Muster sich bilden, wenn es zur Pause klingelt und alle gleichzeitig zusammen aus dem Klassenzimmer herausströmen.
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