das wird: „Figurentheater bleibt für viele unterm Radar“
Hannovers einziges Figurentheater-Haus lädt zum Open-Air-Festival
Interview Benno Schirrmeister
taz: Frau Heldt-Bertrand, wie ist es möglich, mit fragilen Puppen draußen Theater zu machen?
Petra Heldt-Bertrand: Schwieriger als im Theatersaal zu bleiben, ist es schon. Wir müssen die Stühle rausbringen und wir sichern den Innenhof mit einem Bauzaun. Im Hof steht ein wunderschöner Ahornbaum, es gibt also auch Schatten, und eine Außenbühne ist aufgebaut, die wir dafür mieten. Die ist überdacht: Die Figuren nehmen also keinen Schaden.
taz: Müssen die Künstler*innen ihre Spielweise ans Auftreten draußen anpassen?
Heldt-Bertrand: Ja, ganz klar. Einmal hatten wir bei einer Aufführung von Britt Wolfgramms Figurentheater Marmelock einen Platzregen – also so einen richtigen Gewitterschauer mitten in der Vorstellung. Da wurde dann alles eingepackt und alle sind nach drinnen geflüchtet. Im Notfall wird eben im Theatersaal gespielt. Aber das sind alles Profis. Die lassen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
taz: Die kennen ja auch die Gegebenheiten im Theatrio: Das Sommertheater-Programm bestreiten die vier Ensembles, die bei Ihnen dauerhaft sind.
Heldt-Bertrand: Leider sind es nur noch drei – weil Gerhard Seiler mit über 80 Jahren dann doch irgendwann gesagt hat: Es ist genug.
taz: Der hatte sein Theater 1973 gegründet!
Heldt-Bertrand: Ja, das war eine echte Institution. Aber die Roten Finger, Neumond und Marmelock nutzen weiterhin bei uns regelmäßig die Probebühne und die Spielstätte. Die haben natürlich eine besonders intensive Verbindung zu unserem Haus und engagieren sich auch entsprechend: Zum Beispiel macht beim Sommerfest, bei dem der Eintritt übrigens frei ist, Christian Kruse vom Figurentheater Neumond das Programm.
Figurentheater-Festival „Theatrio Sommerbühne“: 14. 7.–19. 7., Hof des Figurentheaterhauses, Großer Kolonnenweg 5, Hannover; Infos und Tickets auf theatrio.de
Die Roten Finger: 14. 7., 15 Uhr, 15. 7., 11 Uhr;
Marmelock: 16./17. 7., 11 Uhr;
Neumond: 8. 7., 11 Uhr;
Sommerfest: 19. 7., 14 Uhr
taz: Er hat es „Pauken, Blech und Pampelmusen“ genannt?
Heldt-Bertrand: Ja, das ist eine Mischung aus Figurentheater und Livemusik, ein echtes Familienkonzert mit vielen Geschichten: Christian Kruse ist auch Musiker, und seine Art, das zu mischen, ist schon sehr speziell. So eine Unterstützung ist für uns ganz entscheidend, so wie es für die Spieler wichtig ist, eine Spielstätte zu haben.
taz: Es ist wirklich die einzige in der Region und der Stadt Hannover?
Heldt-Bertrand: Ja, das ist so. Zum Glück gibt es seit diesem Jahr im Frühjahr ein Festival der niedersächsischen Spielstätten für Figurentheater, das „Vernetzt“ heißt und auch künftig immer im Frühling stattfinden soll. Dieser Austausch ist wichtig – und sehr schön ist die wechselseitige Solidarität.
taz: Was auffällt ist: Die Gruppen an Ihrem Haus stehen kaum in Konkurrenz, weil sie ganz unterschiedliche ästhetische Ansätze verfolgen. War das eine kuratorische Entscheidung?
Heldt-Bertrand: Nein. Also, was stimmt ist: Das sind ganz unterschiedliche kreative Persönlichkeiten, die haben alle unterschiedliche Interessen und es geht bei allen immer um etwas anderes – um das, was ihnen jeweils am Herzen liegt. Aber es war nicht so, dass man sich da bestimmte Truppen nach ihren künstlerisch-inhaltlichen Profilen zusammengesucht hätte. Die haben eine Bühne gesucht und dieses Haus gefunden. Inzwischen sind sie nicht mehr die Träger, haben aber weiter ihre Spielstätte bei uns.
taz: Wäre es denn sinnvoll fürs Haus, wieder eine neue, vierte Gruppe zu finden?
Heldt-Bertrand: Fürs Haus wäre das sehr schön. Aber so einfach ist das nicht. Denn, ganz wie Sie sagen: Figurentheater bleibt für viele unterm Radar. Das ermutigt die jungen Leute, die das beispielsweise in Berlin studieren, nicht gerade, eine neue Bühne aufzubauen. Das ist ein echtes Problem.
taz: Dabei hat doch gerade Figurentheater so einen ganz eigentümlichen Reiz.
Heldt-Bertrand: Das ist so! Auch wegen des intimen Zusammenspiels der verschiedenen Künste: Die Figurenspieler sind eigentlich immer auch Schauspieler, oft auch Musiker. Und dann diese Figuren, die ja selbst regelrechte kleine Kunstwerke sind, wie die dann von einem Figurenspieler zum Leben erweckt werden – das finde ich total faszinierend.
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