das wird: „Poesie kann hilfreich sein, um Menschen zu „kreativieren“
Der spielerische Umgang mit Worten prägt das Leben der Bremer Lyrikerin Ulrike Marie Hille. Mit verschiedenen Projekten wie dem Literarischen Salon lässt sie auch andere daran teilhaben
Von Franziska Vetter
taz: Frau Hille, ein Leben ohne Lyrik – können Sie sich das vorstellen?
Ulrike Marie Hille: Überhaupt nicht. Nein.
taz: Warum?
Hille: Lyrik hat viel mit meinem eigenen Leben zu tun. Ich habe mich von früh an begeistert für das Wort und habe schon in meiner Kindheit gelernt, damit zu spielen. Noch als ich ganz klein war hatte ich schon das Gefühl, ich will Dichterin werden. Das hat sich so durchgezogen, bis in mein jetziges Rentenalter.
taz: Sie haben ein Sachbuch mit dem Titel „Poetisches Lernen“ geschrieben. Was verstehen Sie darunter?
Hille: Poesie kann hilfreich sein, um Menschlichkeit zu „kreativieren“, also schöpferisch mit dem Wort umzugehen, um in Beziehung mit anderen Menschen zu kommen. Ich habe das von Kindheit an über mein Studium und in meiner Tätigkeit als Lehrerin entwickelt und meine ganze literarische Arbeit auf diesem Denken aufgebaut. Das Buch über poetisches Lernen, bringt das am besten zum Ausdruck. Ich habe aber auch Gedichte veröffentlicht und auch Erzählungen und bringe jetzt einen neuen Erzählband heraus.
taz: Am Mittwoch feiert ein anderes Projekt von Ihnen 30jähriges Jubiläum: der Literarische Salon. Wie kam Ihnen die Idee dazu?
Hille: Es war für mich immer schon sehr wichtig, dass ich mit dem Wort oder mit Lyrik etwas zu tun habe. Ich habe Literaturwissenschaft studiert und dann vor allem in der Erwachsenenbildung und an der Gesamtschule unterrichtet. Und noch während ich an der Schule tätig war, habe ich mir gedacht, wenn ich aufhöre, dann will ich eine literarische Tätigkeit machen. Daraus hat sich dann die Idee für den Literarischen Salon entwickelt. Außerdem mache ich auch eine Lyrik-Werkstatt, sogar schon seit über 30 Jahren.
taz: Hat Sie die Historie der Salons inspiriert?
Hille: Den Literarischen Salon habe ich auch in der Tradition der alten Salons, die es in Berlin zur Zeit der Romantik gegeben hat, gegründet. Ich habe ein Vorbild, das ich immer wieder nenne. Das ist Rahel Varnhagen, die damals als Jüdin und alleinstehende Frau einen literarischen Salon gegründet hat. Das hat mich sehr inspiriert, dass sie das als Frau in die Hand genommen hat. Nicht nur sie hat das gemacht, das war in der Zeit üblicher. Man hat damals Dichter und auch Wissenschaftler eingeladen. Kultur und Adel hatten damals natürlich auch eine andere Bedeutung. Das ist heute nicht mehr der Fall.
taz: Ist bei Ihnen also der Bremer Adel zu Gast?
Hille: Nein, heute verläuft das natürlich ganz anders als damals. Es bleibt mehr im Rahmen einer Lesegesellschaft. Einen Autor feiern, sage ich immer gerne. Das heißt wir lesen und reden nicht nur darüber, sondern es wird auch Klaviermusik dazu geboten und es gibt Wein und Gebäck.
taz: Wie kam die Idee vor 30 Jahren in Bremen an?
Hille: Das kam sehr gut an. Ich habe eigentlich gleich großen Erfolg gehabt. Damals war ich eine der wenigen oder vielleicht sogar die einzige, die so etwas veranstaltet hat. Da hatte ich natürlich sehr großen Zulauf. Ich hatte manchmal wirklich das Haus voll. Inzwischen gibt es viele solcher Lesegesellschaften.
taz: Wie blicken Sie auf die letzten 30 Jahre Salon zurück?
Hille: Mit großer Zufriedenheit. Ich fühle mich da sehr lebendig und es hat mich auch sehr bewegt gehalten. Dazu gehören natürlich auch andere literarische Tätigkeiten wie zum Beispiel die Lyrik-Werkstatt und auch mein eigenes Schreiben.
Jubiläum Der Literarische Salon in Bremen feiert 30sten Geburtstag. Mi, 25. 6., 19.30 Uhr, Literatur- Werkstätten, Wulwesstraße 10, Bremen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen