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das wird„Man muss sich trauen, Utopien zu entwerfen“

Die Theaterbande zeigt mit „König:in von Deutschland“ eine Reise durch Regierungsformen

Interview Karoline Gebhardt

taz: Frau de la Chevallerie, in „König:in“ von Deutschland malen Sie sich mit der Theatergruppe ein gerechtes Königreich aus. Wie sähe Ihr gerechtes Königreich aus?

Nina de la Chevallerie: Man fragt sich ja häufig, welche die beste Staatsform ist. In kühnen Träumen könnte ich mir vorstellen, dass es vielleicht ein Kollektiv gibt, was Verantwortung übernimmt. Eine gerechte Königin wäre da vielleicht eine Möglichkeit, weil ich glaube, dass es einfach wichtig ist, dass Verantwortung verteilt wird.

taz: Es ist ja auch subjektiv, was als gerecht empfunden wird und was nicht.

De la Chevallerie: Richtig. Ich würde immer von Umverteilung ausgehen, also von der gerechten Verteilung von Gütern, Reichtum, Geld, Wissen und Privilegien.

taz: Wie viel Größenwahn braucht ein Theaterstück?

De la Chevallerie: Ein Theaterstück ist dann toll, wenn die Spielenden ein Risiko eingehen, aber gleichzeitig verantwortungsbewusst damit umgehen. Wenn sie sich trauen, Utopien oder Dystopien zu entwerfen, wenn sie Tabus antriggern, wenn sie sich selbst vielleicht auch in Gefahr bringen.

taz: Wie sieht so ein Risiko aus?

Theater „König:in von Deutschland“ auf dem 12. Inklusiven Theaterfestival, 30. 5., 18 Uhr und 1. 6., 16 Uhr, Werkraum, Stresemannstraße 24C, Göttingen

De la Chevallerie: Damit meine ich, dass man seine Hemmschwellen überwindet. Dinge ausprobiert, die man noch nicht getan hat. Die Komfortzone verlässt, sich mit Texten und Phantasien anderer Menschen auseinandersetzt, überhaupt im eigenen Kopf, aber auch in den Köpfen anderer spazierengeht. Oder andere in den eigenen Kopf hineingucken zu lassen.

taz: Das Stück „König:in von Deutschland „haben Sie zusammen mit den Darstellern entwickelt. Welche Visionen haben die Dar­stel­le­r:in­nen für ihr Königreich entwickelt?

De la Chevallerie: Die Frage nach Gerechtigkeit haben sich viele gestellt. Sie wurden dann aber auch schnell mit Fragen konfrontiert: Wie sieht eigentlich gerechte Hilfe aus? Und woher weiß ich eigentlich, was die Menschen brauchen? Und wer bin ich denn, dass ich weiß, was die Menschen brauchen? Da kommt es schon zu einer Art Ernüchterung. Sie haben gemerkt, dass sie das nicht alleine machen können, also brauchen sie Menschen, die ihnen beiseite stehen. Also wurde ein Ministerrat berufen. Aber die Mi­nis­te­r:in­nen haben dann wieder eigene Vorstellungen davon, welchen Verantwortungsbereich sie haben wollen und welchen nicht. Aber es gab auch größenwahnsinnige Phantasien und ein Spiel mit autokratischen Staatsformen.

taz: Das bildet die Realität ja ganz gut ab. Wie sah das genau aus?

De la Chevallerie: Die Impulse der Teilnehmenden wurden sehr inspiriert aus dem täglichen Geschehen. Es gab viele Gespräche darüber, was in den USA und in Deutschland gerade passiert und das fließt alles ein. Eine Frage war auch: Wie gehen wir um mit der Reproduktion von Staatsformen, die wir eigentlich ablehnen?

Foto: Reimar de la Chevallerie

Nina de la Chevallerie51, ist Produzentin, Theaterpädagogin, Dozentin sowie Mitbegründerin und Geschäftsführerin des freien Theaters Boat People Projekt in Göttingen.

Und?

Wir haben die Beobachtung gemacht, dass es, wenn jetzt jemand einen Trump-Typen spielt, großen Entertainmentfaktor hat. Das ist dann lustig und harmlos. Und trotzdem haben wir uns die Frage gestellt, was wir erzählen wollen, was passieren muss, um solche Personen zu entmachten.

taz: Hat denn eine Entmachtung stattgefunden?

De la Chevallerie: Die hat stattgefunden.

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