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das wird„Es gibt keinen großen Trinkwiderstand“

John Patrick Grande über den Hamburger Senatsbock-Anstich

Interview Lotta Drügemöller

taz: Herr Grande, für den Senatsbock-Anstich im Hamburger Rathaus gibt es einen Gemeinschaftssud von neun Brauereien. Da stehen dann neun Leute und jeder rührt mal um?

John Patrick Grande: Na ja, dass sich alle um einen Kessel versammeln und Hopfen reinschütten, das passiert eher mal symbolisch, für Marketingzwecke.

taz: Schade!

Grande: Das Bier wird nicht besser, wenn da neun Braumeister nebeneinander stehen. Die Brauereien haben sich für das Senatsbock-Bier in einem Verein zusammengeschlossen. Man einigt sich vorab gemeinsam auf ein Rezept: Welche Malzsorten sollen es sein, welcher Hopfen? Gebraut wird dieses Jahr für alle in der Landgang-Brauerei.

taz: Haben Sie schon probiert?

Grande: Ja, es ist ein klassischer, dunkler Doppelbock geworden, stark dominiert durch die verwendeten Malze. Er hat karamellige Noten, einen leichten Touch Kaffee. Aber sehr im Vordergrund steht das Schokoladige. Der Doppelbock ist dadurch sehr sanft auf der Zunge. Man merkt nicht, dass es ein besonders starkes Bier ist. Es gibt keinen großen Trinkwiderstand.

taz: Und mit dem Gemeinschaftssud arbeitet dann jeder Einzelne weiter?

Grande: So war es mal, aber jetzt macht jede Brauerei parallel dazu ihr ganz eigenes Bockbier. Der Anstich soll die Gemeinschaft, aber auch die Vielfalt zeigen. Manche Vereinsmitglieder sind sehr experimentierfreudig. Überquell arbeitet dieses Jahr mit Haselnuss, Kehrwieder mit Blaubeere.

Senatsbock-Anstich, Fr, 31. 1., Rathaus-Restaurant „Parlament“, ab 18 Uhr (für 75 Euro inklusive Essen und Bier)

taz: Moment, Moment, das geht in Deutschland?

Grande: Sie dürfen sich nur nicht das deutsche Reinheitsgebot auf das Label schreiben. Und sie brauchen eine Sondererlaubnis für die Kreationen. Aber in Hamburg ist das leicht. In Bayern wird das ernster genommen, da müsste das ein oder andere Bier wahrscheinlich als „alkoholhaltiges Malzgetränk“ vertrieben werden.

taz: Bei den Bildern vom Senatsbock-Anstich sieht man junge, urbane Menschen mit „Kein Bier für Nazis“-T-Shirts im Rathauskeller. Angekündigt wird das Ganze aber etwas muffig: „Die Krüge hoch, die Kehlen weit, es ist wieder Senatsbockzeit“. Was soll das?

Grande: Der Bockbieranstich geht auf eine Tradition aus den Fünfzigerjahren zurück. Die Craft-Bier-Brauereien haben das 2015 wieder für sich entdeckt. Es ist eine Hommage an die Vergangenheit, aber wir tun gleichzeitig alles dafür, dass sie in die Moderne gehoben wird. Damals war es eine reine Männerveranstaltung. Bei uns wird zum Glück der Frauenanteil jedes Jahr größer. Gleichzeitig kommen gar nicht nur junge, urbane Leute, wie Sie das genannt haben, sondern auch der klassische Biertrinker über 60 – eine schöne Mischung.

taz: Aber warum überhaupt diese Hommage?

Grande: Ich denke, abschauen will man sich die Zusammenarbeit der Brauereien – schon damals gab es einen Gemeinschaftssud. Und na ja, vielleicht sehnen sich die Brauereien auch ein bisschen nach dem Ansehen zurück, das Bier früher für Hamburg und die komplette Hanse hatte. Es gab ein Bewusstsein der Politik dafür, dass Brauereien ein wichtiger Teil der Hamburger Wirtschaft sind. Dahin will man zurück: Der Bockbieranstich jetzt findet im Rathaus statt, der Bürgermeister sticht das Fass an.

Foto: privat

John Patrick Grande

unterstützt den Verein „Hamburger Senatsbock“ bei Social Media und Kommunikation seit drei Jahren.

taz: Ein Liter Gemeinschaftssud im Handel kostet über 12 Euro, die anderen Bockbiere sind noch teurer. Wie abgehoben ist Craft-Bier?

Grande: Craft-Bier ist ein Luxusprodukt. Oder positiver: Der Genuss steht im Vordergrund. Das Image, das Bier immer noch am stärksten hat, ist das Stadion-Bier, das Konzert-Bier, das Kneipen-Bier, das auf Masse getrunken wird. Selten unterhalten sich die Leute beim Standard-Pils darüber, wie das jetzt schmeckt.

taz: Das wollen Sie ändern.

Grande: Ich habe nichts gegen Industriebiere. Aber wir werfen einen Blick auf die Vielfalt von Bieren, auf alte Brautraditionen. Seit mehreren Jahrhunderten hat man eine Tristheit in der deutschen Bierlandschaft. Es gibt und gab so viel mehr da draußen: Alles, was in die fruchtige Richtung geht, ins Rauchige oder ins Saure, wurde total vergessen.

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