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das wird„Görings Ehefrau spielte Wilhelm Tells Gattin“

Das Cinefest für deutsches Filmerbe beschäftigt sich in Hamburgmit Filmbeziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Bock, was verbindet die deutsche und die schweizerische Filmkultur?

Hans-Michael Bock:Da gibt es viele Vermengungen. Unser Anliegen ist es, unbekanntere Ecken der Filmgeschichte auszuleuchten. Bei den deutsch-schweizerischen Filmbeziehungen spielt das Exil eine sehr wichtige Rolle.

taz: Wir reden also von der Zeit, als die Nazis in Deutschland herrschten und politisch Verfolgte und Juden in die Schweiz flohen?

Bock: Ja, bei unserem Filmprogramm gibt es zwei große Blöcke. Das sind einmal die Filme aus den 1930er- und 1940er-Jahren, als in den Filmen eine direkte Auseinandersetzung mit den faschistischen Nachbarländern Deutschland, Italien und später auch dem besetzten Frankreich stattfand. Dann zeigen wir Filme von Schweizer Regisseuren, die in den 1970er- und 1980er-Jahren über diese Zeit und die damalige Verdrängung reflektierten.

Foto: Cinefest

Hans-Michael Bock

geboren 1947, ist Filmhistoriker, Direktor von Cinefest und Herausgeber des Lexikons „Cinegraph“.

taz: Gab es während der Nazizeit so etwas wie antifaschistische Filme in der Schweiz?

Bock: Ja, aber aus Angst davor, die Nazis zu provozieren, wurde dabei mit historischen Folien gearbeitet. Sie spielten dann etwa im Mittelalter oder in dem Film „Füsilier Wipf“ aus dem Jahr 1938 in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Bedrohung kam da immer von „hinter den Bergen“, also aus Deutschland.

taz: Haben in dieser Zeit Schweizer auch profaschistische Filme gedreht?

Filmfestival „Cinefest – Mehr als Heidi und Tell“: Fr, 15. 11., bis So, 24. 11., Metropolis-Kino, Hamburg

Bock: Ja, der Schweizer Unternehmer Ralph Scotoni, der gerne in einer SA-Uniform auftrat, hat damals in die Berliner Filmproduktionsfirma Terra Film investiert. Die haben dann sogar einen Wilhelm-Tell-Film gemacht, bei dem sowohl der Regisseur als auch der Hauptdarsteller Nazis waren und die spätere Ehefrau von Göring die Gattin von Tell spielte. Den Film hätten wir auch gerne gezeigt, aber von ihm ist keine Kopie mehr erhalten.

taz: Wie sah später die Schweizer Vergangenheitsbewältigung im Kino aus?

Bock: Ein Beispiel dafür ist der Film „Das Boot ist voll“, den Markus Imhoof 1980 gedreht hat. Darin wird davon erzählt, dass Flücht­lingen aus Deutschland in der Schweiz kein Asyl gewährt wurde, wenn sie aus rassistischen Gründen verfolgt wurden. Damals gelang zwar vielen Juden die Flucht über die Grenze, aber sie wurden dann zurück nach Deutschland und in den sicheren Tod abgeschoben. ­Markus ­Imhoof wird auch einer unserer Gäste sein.

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