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das wird„Ängste und Sehnsucht“

Die Historikerin Yvonne Robel erforscht, wie wir über das Nichtstun denken und sprechen

Interview Alexander Diehl

taz: Yvonne Robel, können Sie das selbst: nichts tun?

Yvonne Robel: Ich kann das gut, ja.

Ich frage, weil es nicht unbedingt leicht fällt. Es kann Menschen in Verwirrung stürzen, in Sinnkrisen ...

Das ist Teil meines Themas. Mich interessiert, woher diese Vorstellung kommt: dass es schwer sei, nichts zu tun, eine Kunst geradezu. Und: Ist sie überhaupt so neu? Man würde denken, diese Diskussionen haben gerade Konjunktur, man kann ständig in Zeitschriften über Muße lesen, über das Nichtstun. Mich interessiert, und das mit dem Blick zurück bis in die frühen 1950er-Jahre: Was steht dahinter?

Foto: Maike Raap/FZH

Yvonne Robel

*1977, Historikerin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.

Ist denn jede Abwesenheit von Aktivität Nichtstun?

Ich selbst schreibe nicht über das Nichtstun an sich, will es also gar nicht definieren. Ich schaue stattdessen, wie darüber gesprochen wird. Ich gehe im Prinzip von vier Begriffen aus: Muße, Müßiggang, Faulheit und Nichtstun. Denn in den 1950er-Jahren, zum Beispiel, wurden unter dem Begriff der Muße teils die gleichen Dinge verhandelt wie später unter dem des Nichtstuns –manchmal begriffen als Freizeit, manchmal im Sinne von „Leerzeiten“.

Geht es bei alldem um eine Art Gegenteil von Arbeit?

Buchvorstellung: morgen, 18.30 Uhr, Hamburg, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg/ Lesesaal sowie online über Zoom: https://t1p.de/82cnd

Yvonne Robel:„Viel Lärm um nichts. Eine Wahrnehmungsgeschichte des Nichtstuns in der Bundesrepublik“. Wallstein Verlag, Göttingen 2024, 426 S., 40 Euro; E-Book 39,99 Euro

Nicht nur: Bereits in den 1950er-Jahren stößt man auch auf Konzepte von Muße in der Arbeit. Das ist dann plötzlich nicht mehr die klare Trennung Arbeit – Freizeit, die man eventuell erwartet.

Bei der Arbeit können wir derzeit auch eine Art Konjunktur ablesen: Mal gibt es zu viele Menschen, die arbeiten wollen, mal werden händeringend welche gesucht für wichtige, schlecht bezahlte Jobs. Beeinflusst, wie wir über Arbeit reden, auch die Art, wie wir über deren Anderes denken?

Über Nichtstun zu reden, ist sicherlich abhängig von Diskussionen über Arbeit. Ein Klassiker ist etwa die Aussage Gerhard Schröders: „Es gibt kein Recht auf Faulheit“ von 2001. Wogegen ich aber anschreibe, ist die Annahme, dass die Attraktivität des Nichtstuns zugenommen habe. Ich hatte selbst erwartet, dass man von einer stärker disziplinierenden Geschichte hin kommt zu einer sozusagen liberaleren; zu einem lockereren Umgang mit dem Nichtstun. Und dass sich darüber auch zeigen ließe, wie anders wir mit Arbeit umgehen, mit Nichtarbeitenden, mit Erwerbslosen. Stattdessen gibt es schon sehr lange dieses ambivalente Nebeneinander von Sehnsüchten, Ängsten und sehr wohl auch disziplinierenden Debatten.

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