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das wird„Sie hat permanent die Regeln gebrochen“

Das B-Movie in Hamburg widmet sich im November der risikofreudigen Regisseurin Chantal Akerman

Interview Wilfried Hippen

taz: Ute T. Schneider, erst mal Glückwunsch: Vor ein paar Tagen hat das B-Movie einen Preis des Kinematheksverbundes erhalten – in der Kategorie „Kino, das wagt!“. Dazu passt bestens Ihre Reihe mit Filmen von Chantal Akerman – auch die hat ja immer viel gewagt.

Ute T. Schneider: Das sehe ich auch so. Chantal Akerman hat in ihrem Filmschaffen von 1968 bis 2015 permanent Filme gemacht, die mit den geltenden Filmregeln gebrochen haben. Sie hat sich nie danach gerichtet, was vom Publikum oder den Pro­du­zen­t*in­nen gewünscht wurde und stattdessen immer ihren eigenen Kurs verfolgt.

Und war damit nicht nur eine Vorreiterin des feministischen, sondern auch des queeren Films.

Dafür steht vor allem „Je, Tu, Il, Elle“. Das war 1974 ihr erster Spielfilm und zeigt ein Spiegelbild ihrer eigenen Umbruchzeit: Eine junge Frau, von Akerman selbst gespielt, erlebt da eine gemeinsame Nacht mit einer Geliebten, und es gibt darin eine der ersten sehr ausgedehnt gedrehten lesbischen Liebesszenen. Da spielt natürlich auch ihre eigene queere Lebensgeschichte mit hinein.

Allerdings hat Akerman Queerness nicht zu ihrem Revier gemacht.

Ute T. Schneider

*1948, Cutterin und Publizistin, kuratierte als Teil des B-Movie-Teams diverse Filmreihen.

Sie wollte sich nicht in irgendwelche Schubladen einordnen lassen. Sie hat auch immer widersprochen, wenn jemand sie als feministische Filmemacherin gesehen hat. Stattdessen hat sie betont, dass sie als die Frau Chantal Akerman Filme machte und sich immer auf einer Stufe mit männlichen Regisseuren sah.

Sie ließ sich auch stilistisch nicht festnageln, hat experimentelle, Dokumentar- und Spielfilme gedreht.

Ich denke, der Kern dieser Verweigerung und des weiten Spektrums ihrer Arbeit liegt darin, dass Akerman Autodidaktin war. Sie hat zwar für ein paar Monate eine Filmschule in Brüssel besucht, aber das schnell wieder abgebrochen, weil ihr das Studium da zu rigide war. Danach hat sie ihren ersten Kurzfilm gedreht, der es ihr ermöglichte, nach New York zu gehen. Und da hat sie dann die Avantgardefilme der 1960er-Jahre gesehen und Fil­me­ma­che­r*in­nen wie Jonas Mekas, Michael Snow oder Andy Warhol selbst kennengelernt. Das war eine Lehrzeit für sie, wie man sie zu der Zeit nirgendwo anders besser hätte haben können.

War es dann sogar ein größeres Experiment, 1996 einen Mainstream-Film wie „Eine Couch in New York“ zu inszenieren?

Werkschau mit zehn Filmen von Chantal Akerman: den November über, Hamburg, B-Movie, www.b-movie.de/programm

Ihr Ziel dabei war, ein breiteres Publikum zu erreichen – und einen etwas größeren finanziellen Spielraum. Das hat dann aber nicht so geklappt wie erhofft, weil sie sich auch bei solchen Filmen treu geblieben ist. „Eine Couch in New York“ ist ja eine romantische Komödie, deren Basis die Psychoanalyse ist. Und das war damals noch ein ungewöhnlicher Bruch mit Genrekonventionen. Heute würde man sich darüber nicht so aufregen, aber sie war auch da eine der ersten, die die üblichen Wege verlassen haben.

Ihren internationalen Durchbruch hatte Chantal Akerman schon 1975 mit „Jeanne Dielman, 23, Quai du Commerce, 1080 Bruxelles“. Der Film machte damals in Cannes Furore und wurde 2022 von der britischen Filmzeitschrift Sight and Sound zum besten Film aller Zeiten gewählt.

Auch wenn es erst nach ihrem Tod im Jahr 2015 passiert ist: Es ist ein riesiger Bruch mit dem Filmkanon, dass es damit zum ersten Mal einer Filmemacherin gelungen ist, auf diesem Thron zu sitzen – nach Vittorio de Sica, Orson Welles und Alfred Hitchcock.

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