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das wird„Ein anderer Blick auf die Sexualität“

Es muss nicht immer Stimulation sein: Bremens Kommunalkino zeigt – dem Namen nach – pornografische Kurzfilme

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Rüffert, Pornografie dient der sexuellen Stimulation und der Befriedigung der Schaulust. Sie zeigen heute Abend Kurzfilme, die sich künstlerisch mit der Sexualität auseinandersetzen. Wie viel Etikettenschwindel betreiben Sie da mit dem Titel „Porn Classics“?

Christine Rüffert: Da gibt es tatsächlich ein Augenzwinkern. Aber es ist auch die Abschlussveranstaltung der Ringvorlesung „Critical Porn Studies“, und dort wurde eine allgemeinere Definition von Pornografie gefunden: „Inszenierung sexueller Körperspektakel“. Und dies ist bei den Filmen in meinem Programm immer der Fall.

Im Fall von Kenneth Angers „Fireworks“, gedreht im Jahr 1947 und damit der älteste Beitrag im Programm, wurden sogar Prozesse geführt – um zu beweisen, dass er nicht obszön sei, sondern ein Kunstwerk.

Ja. Das Programm zeigt, dass sich schon vor 75 Jahren Menschen darüber Gedanken gemacht haben, wie man einen Sexualakt auf eine andere, ästhetische Art darstellen kann. Und dieser Film ist außergewöhnlich, weil Anger, der gerade erst mit 96 Jahren gestorben ist, ihn im Alter von 17 Jahren gemacht hat. Er hat ihn an einem Wochenende gedreht und setzt sich darin mit der US-Navy, dem Katholizismus oder auch dem amerikanischen Nationalfeiertag auseinander. Und die sind mindestens so präsent wie die Phallusobjekte, die da in vielfacher Form auftauchen.

Christine Rüffert

*1956, ist Filmkuratorin und -wissenschaftlerin. Seit 1992 betreibt sie das Experimentalfilmforum „film:art“.

Wie fügt sich Ihr Filmabend genau in die Ringvorlesung ein?

In den Vorträgen ging es darum, ob es auch andere Formen der Darstellung von Sexualität und ein anderes Personal gibt, denn im gängigen Porno werden ja viele Körper gar nicht sichtbar. So stellte sich die Frage: Wie ist es denn mit der Darstellung anderer sexueller Akte und wie sehen die dann aus? Ich habe nach Darstellungen gesucht, die einen anderen Blick auf Sexualität haben, die explizit sind, indem sie Körper zeigen, aber nicht das Ziel der sexuellen Stimulierung haben.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Kurzfilmprogramm „Porn Classics“, kuratiert und eingeführt von Christine Rüffert: heute, 18.30 Uhr, Bremen, City 46

Carolee Schneeman hat für ihren Film „Fuses“ vier Jahre lang den Beischlaf mit ihrem Mann gefilmt. So wird sie selbst nicht als Objekt dargestellt, weil sie die Kamera in die Hand genommen hat. Das wirkt sehr sensuell, obwohl man gar nicht viel sieht. Da schaut man dann schon hin, um vielleicht mal einen erigierten Penis zu sehen, aber das ist nicht der Fokus des Films. Ihr ging es darum, dieses Gefühl, mit ihrem Mann Liebe zu machen, zu übertragen und ins Bild zu setzen.

Entstanden Filme wie dieser aus einer Gegenposition zu den kommerziell produzierten Pornos heraus? Kritisieren ihre Macher:innen, was dort üblicherweise zu sehen ist?

Es gab ja mal die von Alice Schwarzer ausgelöste „PorNo“-Kampagne, aber jetzt gibt es auch eine feministische „PornYES“-Bewegung, zu der auch der letzte Film in meinem Programm gehört, „1/2 Frösche Ficken Flink“ von Ashley Hans Scheirl. In diesen Filmen wird in den Darstellungen von Sexualität und Diversität gefeiert. Es geht darum, einvernehmlichen, gewaltfreien, gleichberechtigten Sex zwischen allen Arten von Menschen zu zeigen. Da sieht man andere Körper und auch andere Dinge, die diese Körper miteinander tun – und das hat vielleicht ja einen größeren Authentizitätsanspruch.

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