piwik no script img

das wird„In,Knecht Ruprecht' steckt durchaus Humor“

Nino Moritz liest in Husum aus Theodor Storms Weihnachtsdichtungen

Foto: privat

Nino Moritz

48, unterrichtet Deutsch und Philosophie an einem Husumer Gymnasium und ist Mitglied der dortigen Theodor-Storm-Gesellschaft.

Interview Petra Schellen

taz: Herr Moritz, was genau liebte Theodor Storm an Weihnachten? War er gläubig oder zelebrierte er nur ein Ritual?

Nino Moritz: Weder noch. Er hat mit Kirche und Glauben sehr gehadert und betrachtete Weihnachten als bürgerliches Fest, das mit vielen Ritualen und viel Gefühl verbunden war. Aber es war keine reine Sentimentalität. Storm hegte schon echte Weihnachtsgefühle.

Inwiefern?

Er hat sehr lebhaft Kindheitserinnerungen in seiner Literatur aufleben lassen. Er beschreibt das verheißungsvolle Warten auf das Fest, den erleuchteten Weihnachtsbaum, die Geschenke, das Naschwerk und all diese Dinge.

Hatte Storm wirklich eine so idyllische Kindheit?

Teils, teils. Storm ist in Husum in seinem bildungsbürgerlichen Haus aufgewachsen. Sein Vater, ein Justizrat, hat für seine Familie ein gutes Vermögen erwirtschaftet. Emotional war es nicht immer einfach. Der Vater war etwas unnahbar, und das Künstlerische, Gefühlvolle kam eher von der Mutter. Und natürlich trafen auch zu Hause Gesellschaftsschichten aufeinander – einerseits das Bildungsbürgertum und andererseits Hausangestellte und Handwerker. Storm hat als Kind die schwer überbrückbaren Gräben zwischen den Schichten erlebt und später literarisch verhandelt, auch in seinen Weihnachtsdichtungen, aus denen ich heute lese.

Welche haben Sie ausgewählt?

Die kurze Novelle „Marthe und ihre Uhr“ über eine alleinstehende alte Dame, die sich Heiligabend in Erinnerungen verfängt, werde ich ganz lesen. Auszugsweise stelle ich die Novelle „Unter dem Tannenbaum“ vor. In Anlehnung an Storms eigenes Exil erzählt der Text von einer Familie, die im Exil keinen Weihnachtsbaum hat und dem Heiligabend etwas trüb entgegensieht, bis ein kleines Wunder geschieht.

Warum ging Storm ins Exil?

Das hing damit zusammen, dass die dänische Krone 1848 eine neue, auch für Schleswig-Holstein gültige Gesamtverfassung erlassen hatte. Neben vielen andern hatte Storm eine Petition dagegen unterschreiben, woraufhin er sein Amt als selbstständiger Rechtsanwalt nicht mehr ausüben durfte. 1853 ging er daher mit seiner Familie ins preußische Potsdam ins Exil und arbeitete, zunächst ohne Gehalt, als Gerichtsassessor. Damals brauchte er die finanzielle Unterstützung seines Vaters. 1856 wechselte er dann ins thüringische Heiligenstadt, wo er als Kreisrichter arbeitet – ab jetzt wieder gegen Bezahlung.

Lesung „Vom Himmel in die tiefsten Klüfte“: heute, 19 Uhr, Husum, Storm-Haus (Wasserreihe 31). Anmeldungen erbeten per Telefon oder Mail; www.storm-gesellschaft.de

Gibt es weitere autobiografisch inspirierte Weihnachtsdichtungen von ihm?

Ja, und nicht alle sind Weihnachtserzählungen. Auch in andere Novellen hat Storm oft Weihnachtsepisoden eingebaut. Wichtig ist da die Novelle „Carsten Curator“, in der ein Vater-Sohn-Konflikt – die Nichtheimkehr des erwachsenen Sohnes zu Weihnachten – verhandelt wird, der Storms Probleme mit seinem eigenen Sohn spiegelt.

Sind alle Storm’ schen Weihnachtstexte so konfliktreich?

Nicht alle. Im Gedicht „Knecht Ruprecht“ – das ich auch lese – stapft zum Beispiel diese skurrile Figur durch den Wald und führt einen noch skurrileren Dialog mit dem Christkind – da steckt ja auch Humor drin. Aber generell hat Storm gesagt, seine Texte seien aus einer großen Hoffnungslosigkeit entstanden. In der Tat läuft in seinen Texten selten alles glatt. Stattdessen gibt es Schicksalsschläge, und am Ende bleibt dieses kleine, bescheidene Glück, mit dem sich die Protagonisten dann zufriedengeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen