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das wird„Was Putin für ein Mensch ist, konnte man früh sehen“

Ein Gespräch mit Franziska Davies eröffnet die Reihe „Ostopien“ am Theater Bremen. Die Osteuropa-Historikerin fordert von der Politik, für Fehler einzustehen

Foto: Christian Wimmer

Franziska Davies

Osteuropa-Historikerin an der LMU München. Gemeinsam mit Katja Makhotina hat sie das Buch „Offene Wunden Osteuropas. Reisen zu Erinnerungsorten des Zweiten Weltkriegs“ verfasst.

Interview Sebastian Ridder

taz: Was bedeutet Ostopie für Sie, Frau ­Davies?

Franziska Davies: Ich denke da an Dystopie, Utopie, Romantisierung, Idealisierung und Klischees über Osteuropa.

Sind das die „offenen Wunden Osteuropas“, die Ihr Buch beschreibt?

In dem geht es um den Zweiten Weltkrieg in Osteuropa. Wir fokussieren uns auf Belarus, die Ukraine, Polen, Litauen und Russland. In Ländern wie Polen, aber auch der heutigen West­ukraine spielt die Erfahrung der doppelten Besatzung, also durch NS-Deutschland und die stalinistische Sowjetunion, eine wichtige Rolle und prägt die Erinnerung an den Krieg bis heute. Wir versuchen in dem Buch, die Homogenisierung von Osteuropa aufzubrechen und die unterschiedlichen und vielfältigen Perspektiven hinsichtlich der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zu zeigen.

Hat die Ausblendung des multiethnischen Charakters der Sowjetunion bis heute Bestand?

Ja. Es gibt immer noch eine starke Fokussierung auf Russland. Stalingrad ist beispielsweise der wichtigste Erinnerungsort für Deutschland. In der Politik fällt das in der Aussöhnung für die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges ebenfalls auf. Frank-Walter Steinmeier hat damit bis zum Angriff Russlands gegen eine Waffenlieferung für die Ukraine argumentiert. Wir haben eine historische Verantwortung gegenüber Russland, aber genau so eine Verantwortung für die Ukraine, Polen und Belarus.

Wieso wurde das in Deutschland so lange ausgeblendet?

Das hat eine sehr lange Tradition. Nationalbewegungen waren mit großer Härte bereits vom Zarenstaat bekämpft worden. Das kulturelle Erbe der Ukraine ist kaum präsent. Aber auch wirtschaftliche Interessen wie billige Rohstoffe sind dafür verantwortlich. Zum Beispiel hat Frank-Walter Steinmeier 2021 die Pipeline Nord Stream 2, die von Anfang an ganz offen ein Projekt war, um die Ukraine zu schwächen, mit Verweis auf die sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkriegs verteidigt.

Wen betrifft das außer der Ukraine?

Belarus auf jeden Fall. Das ist eines der am meisten zerstörten Territorien im Zweiten Weltkrieg. Das Land hat je­de*n vierten Bür­ge­r*in verloren. Auch die Perspektiven der baltischen Länder werden nicht genug wahrgenommen.

Gespräch, Theater Bremen, Kleines Haus, Foyer, 8. 11., 19 Uhr

Und unsere Aufarbeitung kommt zu spät?

Ja, klar. Diskurse aus Moskau über die Ukraine als künstliche Nation sind immer noch präsent und erst geschwächt worden infolge des Totalangriffs im Februar. Das ist auch ein Armutszeugnis für uns, die Politik und die Medien. Und da mache ich Vorwürfe: Was Putin für eine Person ist und wie sich Russland unter ihm entwickelt, das konnte man sehr früh sehen. Ich sehe auch nicht, dass das aufgearbeitet wird. Der Bundespräsident findet keine deutlichen Worte für seine eigenen Fehler, Manuela Schwesig ist noch immer im Amt.

Welche Konsequenzen sind für die Fehleinschätzungen angemessen?

Also Leute wie Schwesig sollten zurücktreten. Von den demokratischen Parteien erwarte ich offenere und ehrlichere Debatten und Transparenz in der Lobbyarbeit um russische Interessen in den Parteien. Aber vor allem, dass Deutschland Waffen liefert, die die Ukraine braucht.

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